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Armee belagert Palästinenserlager

Von WZ-Korrespondent Markus Bickel

Politik

Alle Parteien im Libanon verurteilen Angriffe auf Armee. | Palästinenser distanzieren sich. | Beirut. Die libanesische Armee hat am Montag ihre Angriffe auf das Palästinenserlager Nahr al-Barid im Norden des Landes verschärft. Bei Kämpfen zwischen Regierungseinheiten und Angehörigen der islamistischen Fatah al-Islam-Organisation in Tripoli und dem am Rande der Hafenstadt gelegenen Lager waren am Sonntag mindestens 27 Soldaten und 20 militante Islamisten ums Leben gekommen. Die Opferzahl stieg bis Montagnachmittag auf 55. Auch Saddam al-Hadjib, der Bruder des in Berlin inhaftierten mutmaßlichen "Kofferbombers", Yussif Mohammed al-Hadjib, starb libanesischen Sicherheitskreisen zufolge bei den Gefechten.


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#Anschläge auf zwei Busse im Februar

Bei al-Hadjib soll es sich um die Nummer vier in der Hierarchie von Fatah al-Islam gehandelt haben. Die von Kennern der Islamistenszene in Tripoli auf rund 200 Mann geschätzte Gruppierung war im Februar erstmals in die Öffentlichkeit getreten, nachdem die Regierung sie für den tödlichen Doppelanschlag auf zwei Busse nördlich von Beirut verantwortlich gemacht hatte.

Mitglieder aller libanesischen Parteien verurteilten die Angriffe von Fatah al-Islam auf die Armee. Sowohl Anhänger der Opposition um die von Generalsekretär Hassan Nasrallah geführte Hisbollah wie die vom Westen unterstützte Regierung Premierminister Fuad Sinioras stärkten der Armee den Rücken.

Für neuen Streit zwischen den seit Dezember vergangenen Jahres in eine tiefe politische Krise verwickelten Konfliktparteien könnte jedoch der Bombenanschlag im Ostbeiruter Einkaufsviertel Aschrafieh sorgen: Am Sonntagabend kam dabei eine Frau ums Leben, zwölf Personen wurden verletzt.

Streit um internationale Kommission

Eine internationale Untersuchungskommission der Vereinten Nationen ermittelt seit zwei Jahren in einer Serie von Anschlägen, die unter anderem Expremierminister Rafik Hariri im Februar 2005 das Leben kostete. Darunter fällt auch der Fatah al-Islam zugerechnete Doppelanschlag auf zwei Busse im Februar dieses Jahres. Politische Beobachter in Beirut vermuten einen Zusammenhang zwischen der beabsichtigten Einrichtung eines internationalen Tribunals zur Aufklärung der politischen Morde und dem Anschlag am Sonntag. Auch die von Fatah al-Islam losgetretenen Kämpfe im Nordlibanon könnten darauf abzielen, die Unterstützer des Tribunal einzuschüchtern.

Enge Verbindungen zwischen der im 30.000 Einwohner großen Camp Nahr al-Barid verankerten Gruppe und militanten sunnitischen Islamisten in der zweitgrößten libanesischen Stadt sind unbestreitbar. So reagierten die Fatah al-Islam-Zellen innerhalb des Lagers in der Nacht auf Sonntag auf eine Aktion der libanesischen Polizei gegen eine verbündete sunnitische Gruppe in Tripoli selbst. Unmittelbar danach attackierten Fatah al-Islam-Kämpfer Armeestellungen rund um das Lager, südlich von Tripoli wurde Stunden später, am helllichten Tag, ein Armeekonvoi attackiert.

Neben dem ehemaligen palästinensischen Fatah-Offizier Shaker al-Absi an der Spitze der Truppe gehören wohl Jordanier, Syrier, Saudi-Arabier, Jordanier und Marokkaner zu den Mitgliedern.

Jordanische Behörden machen al-Absi für den Mord an einem US-Diplomaten im Jahr 2000 verantwortlich - ein Attentat, das angeblich von den im vergangenen Jahr von US-Truppen im Irak erschossenen Al-Kaida-Stellvertreter Abu Mussab al-Zarqawi geplant wurde. Gegenüber der libanesischen Tageszeitung "L'Orient Le Jour" bekundete Absi im Februar offen: "Unsere Aktionen begründen sich auf dem Koran und der Scharia". Ziel sei die "Befreiung Palästinas."

Doch die politischen Vertreter der mehr als 400.000 palästinensischen Flüchtlinge im Libanon wiesen am Sonntagabend jede Verbindung zu Fatah al-Islam zurück. "Die Palästinenser übernehmen keine Verantwortung für ihre Aktionen", heißt es in einem gemeinsamer Erklärung der Allianz der Palästinensischen Kräfte im Libanon.