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Den Haag - Die Debatte über die moralische Mitverantwortung der Niederlande bei dem Srebrenica-Massaker 1995 in Bosnien erhitzt auch nach dem Rücktritt der Regierung die Gemüter. Am Mittwoch nahm Armeechef Ad van Baal seinen Hut.
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Der demissionierte Verteidigungsminister Frank de Grave hatte den General gedrängt, als oberster Befehlshaber die Verantwortung für die militärischen Fehler in Srebrenica zu übernehmen. Was dieser dann auch tat.
In dem Bericht des Niederländischen Instituts für Kriegsdokumentation wird der Armee vorgeworfen worden, der Regierung Informationen zum Massaker von Srebrenica vorenthalten zu haben, um ihren Ruf nicht zu schädigen. Van Baal war bis September 1994 Stabchef des Bosnien-Kommandos und wurde 1996 zum niederländischen Vize-Armeechef benannt. Zur Zeit des Srebrenica-Massakers im Sommer 1995 leitete er vorübergehend zwar die Militärhistorische Abteilung, er war aber laut Beobachtern in die Ereignisse bestens eingeweiht.
Namhafte Niederländer forderten weitere politische Konsequenzen. Els Borst, eine der Vize-Ministerpräsidentinnen der zurückgetretenen Regierung, forderte eine öffentliche Entschudligung der Niederlande gegenüber den Überlebenden des Massakers.
Die Regierung von Ministerpräsident Wim Kok war am Dienstag wegen politischer Versäumnisse beim Einsatz in Srebrenica abgetreten. Der Vorwurf: Sie habe die Truppen in eine "Mission mit unklarem Mandat" geschickt, um "einen Frieden zu bewahren, wo es keinen Frieden gab." Das Kabinett wird voraussichtlich bis zu den regulären Wahlen im Mai interimistisch die Amtsgeschäfte führen. Die Parlamentsdebatte darüber war zu Redaktionsschluss noch im Gange. In Srebrenica waren 7000 Moslems von serbischen Einheiten, die unter dem Befehl von Ratko Mladic gestanden hatten, in der von den niederländischen Blauhelmen bewachten UNO-Schutzzone trotz ermordet worden.
Am Mittwoch hat wegen einer möglichen indirekten Mitverantwortung niederländischer Generäle und Politiker an dem Massaker vom 13. Juli 1995 die Staatsanwaltschaft in Den Haag Vorerhebungen eingeleitet. Die Anklagebehörde prüfe, ob in dem Bericht über die Verantwortung für das Massaker Hinweise auf Straftaten von Niederländern vorlägen, teilte eine Sprecherin mit. Hinweise gebe es aber keine.