Der französische Finanzminister ist zurückgetreten. Hervé Gaymard war durch eine Wohnungsaffäre immer weiter in Bedrängnis geraten. Am Freitag um 15 Uhr hat er die Konsequenzen gezogen und Premier Raffarin seinen Rücktritt erklärt.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 19 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Sein Hauptanliegen wurde Gaymard zum Verhängnis: Laufend hatte sich der Finanzminister für die Reduzierung der Öffentlichen Ausgaben stark gemacht. Jetzt ist er zurückgetreten, weil er unter Verdacht steht, Staatsgelder entgegen seinen eigenen Forderungen verprasst zu haben.
"Wenn ich nicht der Sohn eines Schusters und Schuhverkäufers wäre, sondern ein Großbürgerlicher, hätte ich kein Wohnungsproblem, sondern besäße mein eigenes Appartement", hatte sich Gaymard noch als Ideal seiner Sparpolitik propagiert. Kurz darauf deckte die Wochenzeitung "Le Canard enchaîné" auf, dass sich der Finanzminister in einer 600-Quadratmeter-Maisonette im Herzen von Paris eingemietet hatte. Kostenpunkt: 14.000 Euro im Monat. Die zahlte der Staat. Zwar räumte der Politiker die Nobel-Behausung in einer Blitzaktion, doch die Affäre nahm kein Ende. Es wurde bekannt, dass Gaymard entgegen seinen Behauptungen sehr wohl Besitztümer hatte: Zwei Häuser und drei Wohnungen. Eine davon vermietete er in Frankreichs Hauptstadt für 2.300 Euro im Monat.
Durch das Konstrukt aus Lügen und Heuchelei wurden Rufe der Opposition nach einem Rücktritt immer lauter. Dazu musste sich Gaymard Vergleiche als negatives Spiegelbild seines deutschen Amtskollegen gefallen lassen. Von dem heißt es, er zahle seine Miete selbst und besitze nur eine kleine Auswahl an Anzügen für öffentliche Auftritte. Schließlich sah der Finanzminister keinen Ausweg mehr: "Ich bin mir dessen bewusst, einen Fehler gemacht zu haben und die Bedingungen meiner Dienstwohnung falsch eingeschätzt zu haben", erklärte Gaymard, nachdem er Premierminister Jean-Pierre Raffarin seinen Rücktritt bekannt gegeben hatte.
Gaymard galt als Protegé von Präsident Jacques Chirac. Vor drei Monaten folgte er Nicolas Sarkozy als Finanzminister nach, nachdem der das Amt zu Gunsten des Vorsitzes der Präsidentenpartei UMP niederlegen musste. Ziel Sarkozys ist es, Chirac im Amt zu beerben. Chirac, der diesen Ambitionen offenbar ein Ende setzen will, beabsichtigte Gaymard als Präsidentschaftskandidaten seiner UMP aufbauen. Durch den Eklat gilt es nun sowohl einen neuen Schützling als auch einen neuen Finanzminister zu finden.
Als mögliche Kandidaten gelten der derzeitige Haushaltsminister Jean-Francois Cope und Arbeitsminister Jean-Louis Borloo. Aber auch Außenseiter wie der Chef von France Telecom, Thierry Breton, werden als heiße Nachfolger gehandelt.