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Armut treibt Irakerinnen in Syrien in die Prostitution

Von Alistair Lyon

Politik

Auch viele Minderjährige bieten in Nachtclubs ihre Dienste an. | Damaskus. (reu) Die gierigen Augen der Männer lassen die jungen Irakerinnen nicht los, die sich in engen, glänzenden Kleidern über die Tanzfläche bewegen. Immer wieder gesellt sich einer der Araber zu den Frauen, um mit ihnen zu tanzen - oder er winkt sich eine von ihnen gleich an seinen Tisch.


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In dem Nachtclub eine halbe Stunde nördlich der syrischen Hauptstadt Damaskus wird kein großes Geheimnis darum gemacht, welcher Handel zwischen den Mädchen und den Gästen geschlossen wird: Verkauft wird Sex. "Mein Vater wurde in Bagdad getötet und wir haben kein Geld mehr", murmelt eine der Tänzerinnen, die eigentlich nicht gern über sich selbst sprechen. Manche von ihnen sind nicht einmal 15 Jahre alt, doch Prostitution ist für einige verarmte Frauen und Mädchen aus dem Irak die einzige Möglichkeit, sich selbst und ihre Familie zu ernähren.

Ein Kampf ums pure Überleben

"Sex zum Überleben" nennt das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR das Phänomen - ein verzweifelter Versuch der Irakerinnen, nach der Gewalt in der Heimat nun der Armut im Zufluchtsland Syrien zu entkommen. Und ihre Zahl steigt, sagt Laurens Jollens vom UNHCR.

Die UNO würden mit immer mehr Fällen junger Mädchen oder Frauen konfrontiert, die sich für eine Tätigkeit in einem Nachtclub entschieden haben - oder aber von ihrer Familie dazu gedrängt wurden. Die Frauen wollten und sollten so das Familieneinkommen aufbessern oder einfach ihre Kinder durchbringen, sagt Jollens. Mit der allgemeinen Verarmung der Flüchtlinge steige auch die Zahl der Frauen, die "Sex zum Überleben" verkauften. Offiziell dürfen die 1,5 Millionen irakischen Flüchtlinge in Syrien nicht arbeiten. Wenn ihre Ersparnisse aufgebraucht sind, sind viele von ihnen auf Hilfe angewiesen. Auch wenn die meisten der Iraker der Gedanke an Prostitution abstößt - viele von ihnen müssen herbe Einschnitte verkraften: Sie teilen sich mit anderen Familien winzige Wohnungen in den Armenvierteln von Damaskus, lassen ihre Kinder arbeiten oder verheiraten ihre Töchter im Teenageralter. Solch frühe Ehen seien oft nur ein Deckmantel für die Prostitution, sagt Hana Ibrahim von einer irakischen Frauenrechtsorganisation. Die Ehefrauen würden nach der Heirat mitunter schnell verkauft. Auch gebe es Übergangsehen, die zumindest in schiitischer Tradition zwar akzeptiert seien, aber immer häufiger direkt in die Prostitution führten.