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Armutskrankheit wütet weiter

Von Silvia Vogt

Wissen

Anhaltender Husten mit (blutigem) Auswurf, Gewichtsverlust, Müdigkeit, Appetitlosigkeit, leichtes Fieber, Stechen in der Brust, Kurzatmigkeit: Zwei Millionen Tote und rund acht Millionen neue Fälle jedes Jahr - durch eine Krankheit, die in den siebziger Jahren schon nahezu als besiegt galt: Die Tuberkulose ist wieder auf dem Vormarsch. Vor allem in Afrika und Ländern der früheren Sowjetunion geht sie eine tödliche Partnerschaft mit Armut und Aids ein, aber auch von New York bis Europa ist sie noch lange nicht im Griff.


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"Die TB ist eine der gefährlichsten Infektionskrankheiten der Welt", mahnte etwa die Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) anlässlich des Welt-Tuberkulose-Tages am 24. März. Die Ausbreitung zu stoppen, ist eine äußerst drängende Herausforderung - denn immer noch sterben Tag für Tag 5.000 Menschen an den gefährlichen Erregern.

Dabei ist die Tuberkulose heilbar. Eine Antibiotika-Mischung, die sechs bis acht Monate lang geschluckt wird, ist in der Regel erfolgreich. Allerdings müssen die Tabletten regelmäßig genommen werden. Auch nach Abklingen der Beschwerden dürfen sie keinesfalls abgesetzt werden, sonst können sich die Bakterien neu formieren und gefährliche Resistenzen entwickeln.

Zwar ist auch dann eine Behandlung noch möglich, aber weit schwieriger und teurer und damit vor allem für ärmere Länder kaum zu leisten. Die Multiresistenzen anpacken, "das kann man nur machen, wenn man die Mehrzahl der Fälle im Griff hat", sagt Axel Wiegandt, der medizinische Leiter des DAHW, mit Blick auf die angespannten Ressourcen in den Gesundheitssystemen von Entwicklungsländern.

Die hohe Zahl der Todesfälle liegt aber nicht hauptsächlich an der Resistenz der Bakterien oder fehlerhafter Behandlung. "Das Problem ist nicht die Heilungsrate", betont Wiegandt. "Wenn die Patienten erst einmal ihren Weg ins Gesundheitszentrum finden, werden sie in der Regel geheilt. Aber: Sie finden ihren Weg dorthin nicht." Weil sie die Krankheit nicht erkennen oder den Gang zum Arzt nicht leisten können.

Von den geschätzten mehr als acht Millionen Neuerkrankungen pro Jahr werden nur rund 40 Prozent entdeckt. Und ohne Behandlung steckt der Kranke wieder andere an - der TB-Kreislauf bleibt in Schwung. "Wir können die Ausbreitung der Tuberkulose nur unter Kontrolle bringen, wenn wir die Übertragung unterbinden. Deshalb müssen wir die Kranken finden", so das DAHW.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2005 mindestens 70 Prozent aller ansteckenden Tuberkulosekranken aufzuspüren und 85 Prozent von ihnen zu heilen. "Wir sehen aber, dass wir dieses Ziel leider nicht erreichen können", sagt Wiegandt. Auch wegen der unterschätzten Schwierigkeiten, die Patienten aufzuspüren, erwiesen sich die Hoffnungen, die die internationale Gemeinschaft noch in den 70ern in die neue Medikamententherapie gesetzt hatte, als trügerisch.

Seit Anfang der achtziger Jahre breitet sich die Tuberkulose laut DAHW wieder aus. Mit verantwortlich dafür sind Armut und katastrophale hygienische Bedingungen etwa in Elendsvierteln oder Gefängnissen. Auch Kriege und Flüchtlingselend tragen ihren Teil zum Triumph der Tuberkulose bei. Ein Hauptgrund für den Vormarsch der TB aber ist Aids: Bei dem geschwächten Immunsystem hat die Tuberkulose leichtes Spiel - und etwa 30 bis 50 Prozent aller HIV-Infizierten erkranken an TB.

Resistenzen in Osteuropa und Zentralasien

Besonders beunruhigend ist ein weiteres Faktum: In Osteuropa und in Zentralasien sind resistente Erreger der heimtückischen Erkrankung zehn Mal häufiger als in allen anderen Weltregionen, so die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Ihren Angaben zufolge wäre die Krankheit pro Fall durch eine nur zehn US-Dollar (8,14 Euro) teure Behandlung über sechs Monate hinweg heilbar.

Da viele Menschen, wenn überhaupt, weltweit oft nur eine ungenügende Therapie erhalten, diese abbrechen oder unzureichend betreut werden, entstehen in der Folge TBC-Erreger, die gegen die meisten Medikamente resistent sind.

"Sechs der weltweit zehn Krisengebiete auf diesem Gebiet sind Estland, Kasachstan, Litauen, Lettland und Teile der Russischen Föderation sowie Kasachstan. Resistente Keime werden dort bereits bei 14 Prozent der TB-Patienten festgestellt", warnte die Weltgesundheitsorganisation. Rund um den Globus werden pro Jahr schon mehr als 300.000 Fälle von sogar multiresistenter Tuberkulose registriert. 79 Prozent dieser Erkrankungen werden auf so genannte Super-Stämme zurück geführt, die zumindest gegen drei oder schon mehr der TB-Medikamente nicht mehr ansprechen.

Rund 1.000 Fälle pro Jahr in Österreich

In Österreich erkranken pro Jahr derzeit an die 1.000 Menschen an Tuberkulose. Es gab im Jahr 2002 rund 80 Tote. Durch das funktionierende Gesundheitswesen konnte die Entwicklung von gegen die herkömmlichen Medikamente resistenten Erkrankungen verhindert werden. Bis 2002 sank ihr Anteil sogar.

Neuer Impfstoff

Das Wiener Biotech-Unternehmen Intercell AG und das dänische Statens Serum Institut (SSI) haben vergangene Woche ein Lizenzabkommen zur Entwicklung eines neuen prophylaktischen Tuberkulose-Impfstoffes geschlossen.

Das Vakzin kombiniert Intercells synthetischen Immunstimulator (IC31) mit rekombinanten, von SSI entwickelten, Tuberkulose-Antigenen. Der neue TB-Impfstoff wurde bereits in verschiedenen Tiermodellen erfolgreich getestet und soll 2005 in eine klinische Phase I Studie überführt werden. SSI ist für die klinischen Tests und den Entwicklungsprozess verantwortlich.