Zum Hauptinhalt springen

Armutszeugnis für Allgemeinbildung

Von Christina Böck

Kommentare

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

So kann man auch dem öffentlich-rechtlichen Auftrag nachgehen: In der ORF-Talentshow "Die große Chance" gab es am Freitag Geschichtsunterricht. Auftritt Herr Helmut mit Mundharmonika. Er kündigt ein "altes deutsches Volkslied" an. In der Jury ihm gegenüber sitzen eine aufgetakelte Ballerina, eine Volksmusik-Popsängerin, ein dem Pöbeln nicht abgeneigter Rapper und ein Zirkusdirektor. Sie alle merken nicht, dass ihnen Herr Helmut gerade das Horst-Wessel-Lied vorbläst.

Nun ist die "Große Chance" mitnichten eine Live-Sendung. Das ist eine Aufzeichnung, die durch viele Hände geht. Es gibt Redakteure, Sendungsverantwortliche und Hauptabteilungsleiter, denen auffallen muss, dass eine Melodie auf Sendung geht, deren öffentliches Abspielen verboten ist. Oder ist es tatsächlich so, wie in Forumsbeiträgen argumentiert wird? "Junge Menschen können diese Melodie ja gar nicht erkennen", heißt es da. Nun ja, wer sich intellektuell von Fast Food ernährt und Bücher vom Hörensagen kennt, vielleicht. Und wer noch nie im Leben eine TV-Doku über den Zweiten Weltkrieg gesehen hat. Schlimm genug, dass die junge Blog-Generation sich vielleicht weniger für Geschichte interessiert. Aber Mitarbeiter eines öffentlich-rechtlichen Senders? Man möchte ja nicht annehmen, dass die Redakteure der ORF-Sektion Show einen eingeschränkten Horizont haben, weil sie sich die ganze Zeit damit beschäftigen müssen, wie sie Privatsender im Niveau unterbieten.