Kaum ein Politiker beherrscht die schwierige Kunst des formvollendeten Abgangs. | Eine kleine Rückschau auf die Kanzler-Geschichte seit 1945.
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Gemeinhin sollte man denken, die Kunst des Abtritts werde Politikern nirgendwo leichter gemacht als in Demokratien. Immerhin kommt das Votum der Wähler einem Wink mit dem Zaunpfahl gleich. Und ansonsten gilt: Wenn die letzte Chance zum Machterhalt vertan ist, ist es Zeit für neue Gesichter. Und über das Wie sind sowohl billige Schundhefte wie auch epische Dramen verfasst worden. Je nachdem eben.
Bedenkt man den besonderen Stoff, aus dem Politiker gemacht sind - ihre Lust an Macht und grellem Rampenlicht -, verwundert allerdings nicht, dass der elegante Abgang im vorteilhaften Abendlicht die rare Ausnahme, der bittere Rücktritt durch die Hintertür, auch wenn er im gleißenden Scheinwerferlicht erfolgt, die übliche Regel darstellt.
Der legendäre Leopold Figl musste zusehen, wie ihn 1953 mit Julius Raab ein enger persönlicher Freund aus dem Amt des Kanzlers drängte. Raab selbst, gesundheitlich nach einem Schlaganfall 1957 schwer angeschlagen, verweigerte sich bis 1961 der Einsicht, dass die Zeit der Gründerväter endgültig abgelaufen war. Seine Partei, die ÖVP, musste kräftig nachhelfen.
Wesentlich eleganter verfuhr Josef Klaus: Dem Kanzler der ersten und bisher einzigen ÖVP-Alleinregierung entzogen die Wähler 1970 dieses Mandat, worauf sich Klaus völlig aus der Politik zurückzog.
Zu solch einem radikalen Schritt sah sich Bruno Kreisky außerstande. Gesundheitlich gezeichnet und verbittert diktierte der Alte seinem Nachfolger Fred Sinowatz 1983 sogar noch eine ausverhandelte kleine Koalition mit der FPÖ. Und als Franz Vranitzky drei Jahre später sich anschickte, das politische Vermächtnis des Alten nach eigenem Gutdünken in neue Bahnen zu lenken, brach Kreisky - zumindest vorübergehend - mit seinen politischen Erben.
Bei näherer Betrachtung war wohl Vranitzky der einzige Kanzler, dem beim Abgang überwiegend mediale Lobkränze geflochten wurden. 1997 übergab er nach elf Jahren freiwillig und für die Allermeisten völlig überraschend an den scheinbar Hoffnungsvollsten seiner Truppe, Viktor Klima.
Die Menschenkenntnis Vranitzkys erwies sich allerdings als weniger ausgeprägt als sein Timing-Gefühl in Sachen Rücktritt. Keine drei Jahre später war Klima wieder innenpolitische Geschichte. Das hinderte ihn jedoch nicht, fernab des heimischen Medien-Spotts eine beeindruckende Karriere als Manager hinzulegen.
Auf Klima folgte 2000 Wolfgang Schüssel, der nach seiner Abwahl 2006 - darin Kreisky ähnlich - verzweifelt versuchte, sein politisches Erbe zu bewahren. Schüssels Schlusskapitel wird gerade geschrieben . . .
Über die Einschätzungen seines Nachfolgers, Alfred Gusenbauer, gehen die Meinungen heute noch meilenweit auseinander: unglaublich talentiert und gleichzeitig gnadenlos instinktfrei. Werner Faymanns freundliche Übernahme von SPÖ und Kanzlerschaft beendete bereits 2008 das Gusi’sche Zwischenspiel. Letzterer ertrug seine Entmachtung, währenddessen er selbst noch am Kanzlersessel war, allerdings durchaus stoisch.
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"Aufgrund gesundheitlicher Probleme" der wesentlichen Proponenten steht eine ganze Partei zum Verkauf. Am Preis sollte es nicht scheitern: Dieser sei "gering, in der Höhe der eigenen Entstehungskosten", wie es in einer Aussendung am Dienstag heißt. Und die Ausrichtung müsste eigentlich im Trend der Zeit liegen, richtet sich die Bewegung doch gegen Lobbyisten und wirbt für verbindliche Volksbegehren. Lediglich am Namen hätten die Organisatoren noch feilen sollen: "www.frustig.at" ist weder lustig noch anregend für Bürger-Engagement.