Österreichs Einstieg in den Kampf gegen die vierte Welle darf als vergeigt betrachtet werden.
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Österreichs Einstieg in den Kampf gegen die vierte Welle darf als vergeigt betrachtet werden. Zugegeben: Das sagt noch herzlich wenig über den tatsächlichen Verlauf der Pandemie in den kommenden Wochen und Monaten aus. Zu viele unbekannte Variablen erschweren den Prognoseexperten gesicherte Aussagen über die Zukunft.
Doch dass bereits am ersten Tag nach der Präsentation eines Maßnahmenpakets die nächsten Verschärfungen angekündigt werden - nicht von irgendwem, sondern vom Gesundheitsminister persönlich, dem eigentlichen Verantwortungsträger in der Pandemie, und auch vom Wiener Gesundheitsstadtrat -, kommt bei den Menschen wohl vor allem als Signal politischer Uneinigkeit oder strategischer Orientierungslosigkeit an; wenn diese Menschen überhaupt noch den Überblick über den aktuellen Stand der verordneten Gebote haben.
Die für Land und Leute optimistische Variante lautet auf Dissens unter den Entscheidungsträgern, im Konkreten zwischen der Kanzlerpartei ÖVP und dem grünen Gesundheitsministerium, das sich meist auf einer gemeinsamen Linie mit dem roten Wien weiß, den übrigen beiden SPÖ-regierten Ländern Kärnten und Burgenland liegt das Lockern näher als das Verschärfen, und die sechs ÖVP-Landeshauptleute sind ohnehin in der privilegierten Position, dass sie in die Meinungsbildung im Kanzleramt miteingebunden sind.
Im Gegensatz zu einem weitverbreiteten Vorurteil sind Meinungsverschiedenheiten in der Politik kein Nachteil, sondern eine Voraussetzung. Das gilt auch für die Parteien in einer Koalitionsregierung. Die Kunst besteht darin, die inhaltliche Auseinandersetzung in einer Weise auszutragen, dass die hinterher getroffenen Entscheidungen und Partner davon auf die eine oder andere Weise profitieren - was auch immer das im konkreten Fall bedeuten mag.
In der Koalition schaut die pandemische Realität in der vierten Welle so aus, dass der Kanzler am Montag mit Informationen zur Entscheidung vorprescht, der grüne Vizekanzler am Dienstag die Einigkeit in der Koalition betont, woraufhin die Regierung am Mittwoch in demonstrativer Geschlossenheit ihre Maßnahmen präsentiert, auf dass der Gesundheitsminister am Donnerstag und Freitag umgehend weitere, teils wirklich einschneidende Verschärfungen avisiert.
Das kann man schon so machen als Regierung. Aber nur, wenn man unbedingt will. Fragt sich nur, und das in aller Klarheit, was die Partner damit erreichen wollen, außer sich in der Ars confusionis, der Kunst der absichtlichen Verwirrung, zu üben.