Ärztekammer und Sozialversicherung bestimmen über Gesundheitszentren. | Ziel: Entlastung der Ambulanzen. | Ärzte sollen Ärzte anstellen können. | Wien. Der für 8. November angesagte Ärztestreik wird nun doch nicht stattfinden. Denn zu den umstrittenen Ambulanten Versorgungszentren (AVZ) wird eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Darauf haben sich Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky und Ärztekammerpräsident Walter Dorner am Dienstag geeinigt.
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In dieser Arbeitsgruppe sollen Bund, Länder, Sozialversicherung und auch die Ärztekammer vertreten sein. Eigentlich hätten diese AVZ oder Gemeinschaftspraxen schon bald verwirklicht werden sollen. Die Arbeitsgruppe hat nun aber bis 2009 Zeit, um ein Ergebnis zu liefern.
Massive Zugeständnisse an die Standesvertretung der Ärzte hat es aber bereits gegeben. Die AVZ oder Gemeinschaftspraxen sollen nach dem bisher geltenden Gesamtvertrag abgewickelt werden: Das bedeutet, dass Ärztekammer und Sozialversicherung gemeinsam bestimmen, welche dieser Praxen Kassenverträge bekommen und wo diese angesiedelt sein sollen.
Ursprünglich wollte das Gesundheitsministerium die Planung (Planstellen, Honorierung, Verträge) dieser neuen Ärztegemeinschaften den Landesplattformen anvertrauen.
Wenn diese Zugeständnisse bis heute, Mittwoch, schriftlich vorliegen, will Dorner dem Vorstand der Ärztekammer vorschlagen, sowohl auf den Schließtag am 8. November als auch auf die anderen angekündigten Protestmaßnahmen zu verzichten.
Worum geht es tatsächlich in dem Streit? Die Ärztekammer befürchtete eine "Verstaatlichung des Gesundheitswesens", wenn die Landesplattformen über die AVZ entscheiden. Tatsächlich sind die Ärzte in diesen Landesplattformen nicht vertreten.
Rauch-Kallat: Zahler und Anbieter trennen
Die frühere Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat, die für die Installierung der Bundesgesundheitsagentur und der neun Gesundheitsplattformen verantwortlich zeichnet, begründet das in der "Wiener Zeitung" so: "Wir wollten Zahler und Anbieter trennen." Es mache auch Sinn, dass nicht Sozialversicherung und Ärztestandesvertretung aushandeln, wo diese Praxisgemeinschaften entstehen sollen, sondern die für die Gesundheitsplanung verantwortlichen Plattformen. Man wolle damit auch "Freunderlwirtschaft" ausschalten. "Schließlich soll das System ja nicht teurer, sondern kostengünstiger werden", sagt Rauch-Kallat.
Ziel dieser AVZ ist die Verlagerung der Patientenbehandlung vom intramuralen in den extramuralen Bereich. Also eine Verschiebung von den teuren Spitälern zu den niedergelassenen Ärzten. "Das bedeutet aber auch, dass die Ärzte dann endbehandeln müssen und nicht unnotwendige Fälle in die Spitäler abschieben", sagt Rauch-Kallat. Sie habe aber "manchmal das Gefühl, dass die Einstellung der Ärztekammer gegenüber den Patienten nicht immer von Wohlwollen getragen ist."
Einig sind sich Gesundheitsministerin Kdolsky und Ärztechef Dorner über einige Grunderfordernisse solcher Gesundheitszentren: Ärzte sollen künftig Ärzte anstellen können - das ist derzeit nicht möglich. Außerdem sollen in diesen Zentren auch andere medizinische Berufe - etwa Hebammen oder Physiotherapeuten - vertreten sein und so den Patienten eine umfangreiche Versorgung garantieren.
Für Kdolsky ist wichtig, dass damit eine bessere Versorgung im ländlichen Raum erfolgt und außerdem die Spitalsambulanzen entlastet werden.
Abzuwarten bleibt, was die Arbeitsgruppe bis 2009 vorlegen wird. Es könnte auch eine Form der Praxisgemeinschaft übrig bleiben, die es Ärzten zwar ermöglicht, sich zusammenzuschließen und Kollegen anzustellen, die aber ansonsten keine weiteren Vorgaben erfüllen muss.
Eine Reihe ungeklärter Fragen ist noch offen, wobei der Teufel wie immer im Detail steckt: Dürfen die Patienten in einem AVZ ihren Arzt selbst wählen oder werden sie zugewiesen? Gilt die ärztliche Schweigepflicht auch für andere Beschäftigte? Dürfen kommerzielle Anbieter Gesellschafter in einem AVZ sein? Wenn ja, wie verhindert man dann eine Behandlung nach ökonomischen Auswahlkriterien? Wie wird die örtliche Ansiedlung von solchen AVZ geregelt, sodass es tatsächlich zu einer Entlastung der Ambulanzen kommt?
"Wir haben das beste Gesundheitssystem"
"Österreich hat das beste Gesundheitssystem der Welt", meint Gesundheitsministerin Kdolsky und sieht sich mit damit in einer langen Reihe von Persönlichkeiten. Dennoch mahnen Institutionen wie der Internationale Währungsfonds, die OECD oder auch der Rechnungshof Reformen ein. Angelpunkt solcher Reformen ist aber die Finanzierung, die derzeit in rund 4000 Geldströmen erfolgt.
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