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Ärzte müssen draußen bleiben

Von Petra Tempfer

Politik
Als geschlossene Einheit protestierten mehr als 800 Ärzte im Wiener Museumsquartier.
© © Stanislav Jenis

Ärzteversammlungen in Spitälern und Großdemonstrationen geplant.


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Wien. "Das ist ein Wahnsinn, da komm’ ich extra aus Vorarlberg her - und dann komm’ ich nicht rein", protestiert ein Arzt im weißen Mantel gegenüber dem Sicherheitsmann, der mit strengen Blicken den Eingang der Halle E im Museumsquartier in Wien-Neubau bewacht: die Tür zu jener groß angekündigten Aktion der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), mit der sie ihre Kritik an der geplanten Gesundheitsreform an die Öffentlichkeit tragen will. Ärzte aus ganz Österreich sind am Mittwochnachmittag zu einer Außerordentlichen Vollversammlung der ÖÄK gekommen, die dann in einen öffentlichen Protestkonvent überging.

Im Rahmen der Vollversammlung verabschiedete die ÖÄK einstimmig eine Resolution gegen die geplante Reform samt Einsparungen von 3,4 Milliarden Euro bis 2016 und 11 Milliarden Euro bis 2020 - aus Sicht der Ärzte ein Sparpaket, das den medizinischen und demografischen Entwicklungen nicht gerecht werde.

Der Beschluss der Resolution erfolgte im Rahmen des Protestkonvents. Mehr als 800 Ärzte hatten sich zu diesem Zweck in der Halle E eingefunden. Und auch der Vorarlberger Arzt im Disput mit dem Sicherheitsmann ist nicht allein: Gemeinsam mit rund 150 weiteren Ärzten wartet er auf den Beginn des Konvents, den er außerhalb der Halle auf einem Bildschirm mitverfolgen kann. Drinnen herrscht gedämpftes Stimmengewirr, die Halle ist bis auf den letzten Sitzplatz gefüllt. Einige Ärzte ziehen noch hektisch ihren weißen Mantel an - umzingelt von Fotografen und Kameraleuten, die sich auf den Stiegen positioniert haben.

Tobender Applaus und Standing Ovations

Als der Protestkonvent startet, wird es still im Saal. Ein auf einer großen Leinwand gezeigtes Video von betroffenen Ärzten, die unter anderem bereits jetzt über Praxenschließungen und zu wenig Geld für die Ausbildung klagen, soll die derzeitige Situation illustrieren. Vor der Leinwand warten in einer Reihe ÖÄK-Präsident Artur Wechselberger und Vizepräsident Karl Forstner sowie die Bundeskurienobmänner der angestellten und der niedergelassenen Ärzte, Harald Mayer und Johannes Steinhart, auf ihren Einsatz.

Tobenden Applaus erntet schließlich Wechselberger, als er vor einer drohenden Staatsmedizin als Kontroverse zu einem freien System warnt, falls es zu einer Gesamtbudgetierung des sozialen Gesundheitswesens kommen sollte. Was bedeute, dass das Budget an das Wirtschaftswachstum gebunden sei. "Dass der Staat vorgibt, wie Honorare zu funktionieren haben", entspreche nicht einer "zeitgemäßen Patientenversorgung", erklärt Wechselberger. Ärzteversammlungen in Spitälern und Großdemonstrationen seien geplant.

Seine Stimme überschlägt sich fast, als er auf eine Gesprächsführung zur Gesundheitsreform mit allen Partnern, also auch den Ärzten, pocht. Diese antworten mit minutenlangen Standing Ovations. "Das ist ja krank, wenn man das alles ohne uns beschließt", ruft ein Arzt aus dem Publikum. Seine Wortmeldung geht im allgemeinen Applaus unter.

Die Stimmung wird immer aufgebrachter, Steinhart spricht auf dem Podium gar von "Todsünden", die er der Politik unterstellt. Dass es bereits jetzt zu wenige Hausarzt-Ordinationen, dafür umso mehr "quälende Bürokratie" gebe, sind nur einige davon. Mit dem Satz "Wir werden aufstehen und uns gegen sinnlose und schädliche Maßnahmen wehren" schließt Steinhart seine Rede - und wieder erhebt sich die geschlossene Ärzteschaft im Saal.

Bei der anschließenden Diskussionsrunde kommt auch sie zu Wort. So zum Beispiel Christoph Reisner, Präsident der niederösterreichischen Ärztekammer. "Ich wünsche mir, dass die Politiker zu den gleichen Rahmenbedingungen wie die Ärzte arbeiten", sagt er, "mit einer fundierten Ausbildung, Dokumentationspflicht und persönlicher Haftung." Ein weiteres Mal stehen die Ärzte auf - und jene, die aus feuerpolizeilichen Gründen draußen bleiben mussten und ohnehin schon stehen, klatschen zumindest lautstark Beifall.