Ärztekammer befürchtet als Ergebnis der Gesundheitsreform Verlust von Ärztearbeitsplätzen. Möglicherweise verliert aber auch nur die Kammer.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Statt ihre Hausaufgaben zu erledigen, prügeln Ärztekämmerer mit schlafwandlerischer Sicherheit immer die "Falschen". Strategisches Handeln im Sinne aller ihrer 41.000 Mitglieder und nicht nur der etwa 7500 Kassenärzte (wenn man die Situation der Hausärzte kennt, nur der etwa 3500 Kassenfachärzte) ist nicht gerade ihre Stärke.
Denn was an der angedachten Reform führt denn zu diesen Rundumschlägen, und warum erinnert es so frappant an den Herbst 2007, als die letzte 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern anstand?
Es geht nicht um "Einsparungen". Denn die 3,4 Milliarden Euro bis 2016 sind bezogen auf die mehr als 230 Milliarden Euro öffentlichen Ausgaben nur eine, noch dazu virtuelle, Marginalität. Es geht auch nicht darum, dass dieses Mal - wie jedes Mal - geheim verhandelt wird. Nein, es geht darum, dass durch die Reform Länder und Kassen endlich gemeinsam und nicht gegeneinander arbeiten wollen. Das heißt aber, dass die streng geheimen Mauscheleien zwischen Ärztekammern und Kassen ein Ende finden werden.
Und das passt nicht zum anachronistischen Selbstverständnis der Ärztekammer, die ihre Macht nur darin vermutet, kollektive Kassenverträge zu verhandeln.
Hätten die Ärztevertreter seit 2007 besonnener agiert, Kassen und Länder hätten weniger Chancen aber auch Notwendigkeit für eine solche Reform. Doch anstatt konstruktiv mitzuarbeiten, hat sich die Kammer darauf konzentriert, Strukturreformen mit durchsichtiger Polemik im Keim zu ersticken - abgestützt durch ihre gesetzlich gesicherte Verhandlungsmacht, die die Politik jetzt brechen will.
War diese Strategie wenigstens für Ärzte gut? Ganz im Gegenteil. Die Kämmerer werden innerhalb der Ärzteschaft immer weniger ernst genommen, weil brisante Themen rund um den ärztlichen Beruf seit Jahren links liegen. Weder die mangelhafte Ausbildungsqualität im Turnus (es gibt übrigens fast so viele Turnus- wie Kassenärzte) noch die Tatsache, dass das Ärztearbeitszeitgesetz (es gibt drei Mal so viele Spitals- wie Kassenärzte) seit jeher systematisch gebrochen wird, war bislang eine angemessene Reaktion wert; interessanterweise hat neben der englischen nur die Österreichische Ärztekammer bei der EU Einspruch gegen die Begrenzung der Arbeitszeit auf 48 Stunde pro Woche eingelegt.
Lange hat die Kammer darauf gesetzt, dass die aus dem Gesetz erwachsende Macht ewig halten wird. Sei es aus Angst vor der eigenen Qualität, sei es aus anderen irrigen Meinungen heraus, hat sie es nicht geschafft, zu erkennen, was ihre eigentliche Aufgabe ist und woraus sie ihre Macht entwickeln sollte - aus der Gestaltung der Arbeitssituation aller Ärzte. Ob jetzt die Zeit reicht, das Ruder so herumzuwerfen, um wieder ein echter Partner in der Gesundheitspolitik zu werden, das wird sich zeigen. Für das Gesundheitssystem wäre es wünschenswert.
PS.: Falls dem p.t. Leser dieser Text bekannt vorkommt, Kernaussagen sind einem Rezeptblock aus 2008 entnommen - quasi ein Eigenplagiat - und Beweis für Trägheit und Unfähigkeit der Gesundheitspolitik.