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Asiatisches Jahrhundert

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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China will also Indien überzeugen, auf internationaler Bühne zusammenzuarbeiten und ein "asiatisches Jahrhundert" zu begründen, wie es der chinesische Staatschef ausdrückte. Gleichzeitig drücken sein Land etliche Sorgen, die Wirtschaftsdaten sind nicht so, wie sie sein sollten, um Bevölkerungswachstum und Wohlstand gleichzeitig wachsen zu lassen. Das eint China mit Indien. Die beiden bevölkerungsreichsten Länder der Erde weisen die höchsten sozialen Ungleichgewichte auf. Für die innere Stabilität beider Länder ist dies Gift. Sowohl in Indien als auch in China flackern immer wieder gewaltsame regionale Konflikte auf, auch wenn Peking den Mantel des Schweigens darüber ausbreitet.

Wenn also beide Staaten, die entlang ihrer rund 3500 Kilometer langen Grenze ausreichend Streitpotenzial haben, ihre politischen Kräfte bündeln wollen, so hat dies auch handfeste innenpolitische Gründe. Eine stärkere Handelsverflechtung beider Länder würde sie unabhängiger von Exporten nach Europa und in die USA machen.

Europa sollte ein scharfes Auge darauf haben. Erstens droht den Exporteuren nach Indien dadurch Ungemach, wenn etwa chinesische Unternehmen eine privilegierte Stellung hätten.

Zweitens geht es China dabei sicher auch um die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Und die weist jetzt schon eine bedrohliche Schieflage auf. Chinesische Unternehmen bekommen staatliche Unterstützung, die europäische Konzerne nicht haben. Die Umwelt- und Sozialstandards sind deutlich niedriger als in Europa. Was sollte es bringen, aus Gründen des Klimaschutzes in Europa Hochöfen zu schließen, wenn die chinesischen doppelt so viel CO2 in die Luft schleudern?

Wie sozial ist ein globaler Wettbewerb, wenn chinesische Unternehmen Waren in Europa zu Preisen anbieten können, die in der EU unter den Gestehungskosten liegen?

Wenn die Führung in Peking ein "asiatisches Jahrhundert" herbeisehnt, so sollte ihr klar sein, dass es eigentlich darum geht, den globalen Wettbewerb fairer zu gestalten. Das "asiatische Jahrhundert" sollte das Augenmerk darauf legen, die ungeheuren sozialen Unterschiede in China und Indien zu reduzieren.

Ob angesichts der Größe beider Länder dies überhaupt möglich ist, sei dahingestellt. Aber es geht dabei ohnehin nicht um Signale beider Völker, sondern um Macht und Einfluss.