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Aspern gegen Gugging: Neun Minuten Unterschied

Von Katharina Schmidt und Konstanze Walther

Politik

Beide im "WZ"-Test: Wie kommt man hin? | Anreise von Wien-Mitte: 60 versus 51 Minuten. | Wien. Angenommen, ein viel versprechender Physik-Student aus den USA will seine Qualifikationen mit einem Studium an der neuen österreichischen Elite-Universität Aist ("Austrian Institute for Advanced Science and Technology") erweitern. Vom Flughafen nach Wien-Mitte ist mit dem "City Airport Train" einfach, aber wie geht es weiter?


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Die "Wiener Zeitung" ist für die Studenten mit den Öffis Probe gefahren: In die von der Bundesregierung ausgewählte Nervenklinik in Gugging und zum Flugfeld Aspern - Wiens Vizebürgermeister Sepp Rieder will dort eine alternative Uni errichten.

In 60 Minuten aufs Land

9.30 Uh r , Schauplatz Wien-Mitte, Vorverkaufsschalter "Wie komme ich nach Gugging?" - "Nach Heiligenstadt, und mit dem Bus weiter." Mit welchem? Sie glaubt, mit dem 239er, aber: "Da müssen Sie sich dann eh orientieren mit den ganzen Bussen." Drei Euro kostet die Fahrt bis zur Landesnervenklinik. Ticket gelöst und ab in die U4; vorbei am Donaukanal, dem Johann-Strauss-Dampfer und der eingewinterten Summerstage auf der Rossauer Lände. An der Endstation kann sich der verhungerte Student noch Semmel oder Kebab kaufen, auch Blumen gibt es, falls man die Professorin beeindrucken will. "Orientierung" am Schalter: "Wie komme ich zur Eliteuni?" - Ein "Häh?" ist die Antwort. Nicht auszudenken, wie das Gespräch auf Englisch verlaufen würde.

9.50 Uhr: Warten im Schatten des Karl-Marx-Hofs: Anlass für den Physik-Studenten, über Philosophie nachzudenken? Der 239er-Bus fährt ein: Es ist der falsche. Denn nach Gugging fährt nicht jeder: "Der kommt erst um Zehne", meint der Schaffner.

10 Uhr: Der Bus ist da, es geht weiter, vorbei an Edel-Wirtshäusern, Selbstbedienungstankstellen, der "Höheren Bundeslehranstalt für Wein- und Obstbau" und dem Stift Klosterneuburg.

10.30 Uhr: Ankunft Landeskrankenhaus und Uni in spe: Eine ganze Stunde würden zukünftige Studierende von Wien-Mitte bis hierher brauchen. Hoffentlich dauert es mit dem geplanten Shuttle-Service kürzer.

Außer Schnee gibt es neben der Klinik einen Billa, der schon die Sektflaschen im Kühlregal hat: "Man wird sich überraschen lassen, was die Uni der Wirtschaft so bringt", meint man dort an der Kassa und hofft auf einen Besucheransturm. Am Wegesrand weisen Schilder im Wallfahrtsort Maria Gugging die Richtung zweier Pilgerziele an: die Lourdesgrotte und die Portiunkularkirche. Noch deutet nichts auf die geplante Uni hin. Ratlosigkeit auch in der Portiersloge des Krankenhauses: "Ins gelbe Gebäude soll sie kommen, aber wir haben keine Ahnung", meint die Frau und ruft einem Mann zu: "Weißt du mehr?"

Elite statt Therapie

"Am 30. September gibt es die Klinik nicht mehr", doziert dieser, "die meisten Patienten sollen nach Tulln kommen, sie werden verteilt." Natürlich bedeute dies auch das Aus für das "Alte Café", "AC", Therapie-Projekt und inzwischen Institution: Besucher und Patienten werden von Patienten selbst umsorgt, Getränke kann man zum Selbstkostenpreis konsumieren, es wird geplaudert, Umarmungen werden ausgetauscht und Bilder gemalt. Das "AC" habe sich schon öfter gegen Schließungen gewehrt, nun sei es "wohl endgültig vorbei."

In 51 Minuten in der Einöde

9.25 Uhr: "Zum Flugfeld Aspern?" Die Dame an der Auskunft ist zunächst etwas überfordert. Ein Blick in den Stadtplan genügt jedoch: "U3 bis Stephansplatz, dann U1 bis Kagran, und dort steigen Sie in den 26A um." Aha.

9.30 Uhr: Die U3 fährt ein, los geht's. Am Stephansplatz wird man Gott sei Dank auf Englisch darauf hingewiesen, dass man in der "City" ist, sonst wäre ich womöglich sitzen geblieben. Ab in die U1 bis zur Endstation: Es kann nichts mehr schief gehen - das glaube ich zumindest, bis ich in Kagran aussteige.

9.50 Uhr : Dort ist die Orientierung schwerer als erwartet: Welchen 26A-Bus muss ich nun nehmen, den nach Groß-Enzersdorf oder den zur Güntherstraße? Nach Entschlüsselung des Fahrplanes weiß ich, dass beide zu meinem Zielort Flugfeldstraße fahren.

10 Uhr: Trostloser Ausblick während der 21-minütigen Fahrt: Rechts Plattenbauten und bewegliche Anzeigetafeln, links Gemeindebauten und fest montierte Werbeschilder. Der Bus zieht vorbei, die Gegend wird ländlicher: Einfamilienhäuser und kahle, verschneite Felder wechseln sich ab. Kaum zu glauben, dass wir noch im 22. Bezirk sind. Wir passieren Supermärkte, Banken und eine städtische Bücherei - "gute Infrastruktur", denke ich, aber noch bin ich nicht angekommen.

Am Ziel ist es mindestens fünf Grad kälter als in der Stadt, ein eisiger Wind bläst ins Gesicht. Vergebens suche ich nach Möglichkeiten zum studentischen Amusement. Außer einer Opel-Niederlassung und einem Getränkegroßhändler gibt es nichts. Exakt 51 Minuten bin ich also durch Wien gepilgert, um das zu sehen. Aber halt, in der Einöde steht noch ein Schild, das mich auf einen Eissalon hinweist - der Sommer 2008, wenn die U2 bis an den Stadtrand verlängert wurde, ist gerettet.

Resumee

Gugging liegt in schmucker Landschaft; eifrige Studierende werden es genießen, denn keinerlei Firlefanz beeinträchtigt das Lernen, Ablenkungsmöglichkeiten sind ausgeschlossen. Auch Aspern bietet wenig Zerstreuung, aber mit 130 Euro für 50 Liter Bier beim Großhandel ließe sich schon Einiges an Studentenheim-Atmosphäre kreieren.