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Aspern steht und fällt mit Opel

Von Christoph Rella

Wirtschaft

Mitarbeiter im Wiener General-Motors-Werk fürchten um ihren Job. | Die Rekordjahre sind vorbei: Opel-Manager für 30-Stunden-Woche. | Wien.Es ist sechs Uhr Früh. Grau in grau hängt der Nachthimmel über dem Haupttor der Wiener Motoren- und Getriebefabrik des strauchelnden US-Autoriesen General Motors (GM). Es ist beißend kalt, die gelben Fahnen mit dem Firmenlogo der GM-Tochter Opel flattern im Westwind. Im Erdgeschoß des kastenartigen Hauptgebäudes brennt bereits Licht.


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Während des Schichtwechsels herrscht am gegenüberliegenden Firmenparkplatz reges Treiben. Im Sekundentakt schieben sich Autos durch die Parkreihen - ihnen entsteigen mit Wollmützen und Schals vermummte Arbeiter, die mit schnellen Schritten in Richtung Firmentor hasten.

Dass General Motors derzeit ein rauer Wind entgegen weht und möglicherweise auch in Wien Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen, erfüllt die meisten Frühschichtler mit Sorge: "Ich habe schon Angst um meinen Arbeitsplatz", gibt einer der Männer zu, "ich hoffe wirklich, dass sich die Branche wieder fängt." Auch das Sicherheitspersonal beim Portier ist besorgt. "Was willst machen?", fragt einer der Securitys: "Wenn etwas passiert, dann trifft es alle. Viele sind natürlich nervös."

Dabei war die Zukunft des Unternehmens in den Rekordjahren 2006 und 2007 noch sehr positiv beurteilt worden. Knapp 500.000 Motoren und über eine Million Getriebe wurden am Standort Aspern pro Jahr produziert - so viel wie noch nie zuvor in der Firmengeschichte. GM-Europe-Chef Carl-Peter Forster hatte den Standort anlässlich des 25. Jubiläums im September 2007 noch als "absolutes Vorzeigewerk" bezeichnet. Generaldirektor Rudolf Hamp wiederum nannte die Vorschau für das Jahr 2008 "höchst erfreulich" und kündigte ob der hohen Nachfrage sogar weitere Produktionszuwächse bei den Fünfgang- und Sechsgang-Getrieben an.

Allein die Tatsache, dass "jedes zweite Getriebe und jeder dritte Motor" für Opel hier in Aspern gebaut wird, lässt nun viele Arbeitnehmer Hoffnung schöpfen.

30-Stunden-Woche für Opel:Betriebsräte verhandeln

Der Gruppe der Optimisten unter den GM-Frühschichtlern will sich auch ein junger Meister mit Augengläsern und Wollhaube zugeordnet wissen. "Die Stimmung ist abwartend", erklärt der Vater von zwei Kindern. Zwar herrsche Unsicherheit, trotzdem dürfe man nicht vergessen, dass etwa das neue Sechsganggetriebe weltweit nur in Wien gefertigt werde. "Solange Opel-Fahrzeuge gebaut werden, wird es auch Aspern geben", gibt sich der Mann zuversichtlich. Er und seine Kollegen würden auf jeden Fall die weiteren Entwicklungen in Deutschland "sehr genau" verfolgen.

Nur lassen die Nachrichten aus Frankfurt keine Besserung erwarten. So ließ Opel-Geschäftsführer Hans Demant über die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" ausrichten, dass das Management die Einführung einer 30-Stunden-Woche erwäge.

"Wir bereiten uns auf schlechte Zeiten vor", erklärte der Deutsche. Daher müsse die Volumenplanung für 2009 um zehn Prozent nach unten korrigiert werden. Auch Gesamtbetriebsratschef Franz Klaus bestätigte, dass in fast allen Werken Europas - also auch am Wiener Standort - über die Einführung der 30-Stunden-Woche nachgedacht werde.

Im Büro der Metallergewerkschaft in Wien weiß man von den Plänen, will aber nichts Konkretes sagen. Der Betriebsrat in Aspern verhandle mit der Geschäftsführung über Maßnahmen, man könne daher nicht sagen, ob Kurzarbeit, eine 30-Stunden-Woche oder ähnliches beschlossen werde. "Es wird versucht, ohne Kündigungen auszukommen", sagt die Gewerkschaftssprecherin Nani Kauer: "Opel kann nicht alle Mitarbeiter entlassen. Es geht wieder einmal aufwärts und dann fehlen dem Unternehmen die Fachkräfte."

Arbeiter für Maßnahmen - und Arbeitsplatzgarantie

Am Parkplatz bei General Motors stehen die Mitarbeiter den Plänen machtlos gegenüber. "Seit 26 Jahren bin ich jetzt dabei", sagt ein Arbeiter mit Schnauzer und Rucksack, dessen Nachtschicht eben zu Ende gegangen ist. Freilich sei er um seinen Arbeitsplatz besorgt - und er wäre sogar bereit, notwendige Maßnahmen wie Kurzarbeit oder Zwangsurlaube zu akzeptieren, "wenn der Arbeitsplatz erhalten bleibt". Er grüßt, steigt in seinen Opel und braust davon.

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Minuten später ist es wieder ruhig am Parkplatz. Als die Morgensonne die entlaubten Bäume in ihr fahles Licht taucht, zieht ein Schwarm Krähen über das Werksgelände hinweg. Gerade als wollten sie ankündigen, dass nun der Winter ins Land gezogen ist.