Regimekritiker im Exil oder in Haft. | Damaskus außenpolitisch weiterhin in der Isolation. | Damaskus. Schon am Grenzübergang ist klar, dass außer dem amtierenden Präsidenten kein anderer eine Chance haben könnte. "Tausend und ein Ja", steht auf dem Transparent, das quer über den Eingang zur Passkontrollstelle an der libanesisch-syrischen Grenze hängt. Ein paar Schritte weiter heißt es: "Präsident Baschar al-Assad - der Führer der Erneuerung und des Fortschritts." Am Sonntag sind die rund acht Millionen syrischen Wahlberechtigten dazu aufgerufen, das seit 2000 amtierende Staatsoberhaupt in einem beschönigend als Plebiszit bezeichneten Wahlgang im Amt zu bestätigen.
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Fest im Sattel
Sieben Jahre nach seinem Amtsantritt sitzt der erst 41-jährige fest im Sattel. Innenpolitisch muss der bis zum Tod seines Vaters im Sommer 2000 als Augenarzt praktizierende Assad keine Rivalen fürchten, befinden sich die wichtig-sten Kritiker seines Regimes doch nicht in Syrien selbst, sondern im Exil. Neben dem langjährigen syrischen Vizepräsidenten Abdelhalim Khaddam ist das der Führer der verbotenen Muslimbrüderschaft, Ali Sadr ad-Din. Khaddam setzte sich 2005 nach Paris ab, ad-Din residiert seit Jahren in London.
Auch die Hoffnung der legalen Opposition, nach dem Tod des langjährigen Diktators an der Spitze der Baath-Partei im Sommer 2000 eine Phase der Demokratisierung zu erleben, erstickte der junge Präsident schon kurz nach seinem Amtsantritt im Keim. Ganze Scharen von Bürgerrechtlern, die für Meinungsfreiheit, wirtschaftliche Lockerung und Rechtsstaatlichkeit eintraten, ließ Assad Anfang 2001 ins Gefängnis stecken. Der so genannte "Damaszener Frühling" war vorbei, noch ehe er richtig beginnen konnte.
Dissidenten in Haft
In den Monaten nach seiner Wahl zum Präsidenten - das Parlament senkte tags zuvor eigens das Mindestalter von 40 auf 34 Jahre - hatte Assad noch Erwartungen geweckt, die über 30 Jahre dauernde Phase aggressiver Repressionspolitik seines Vaters könnte ein Ende haben. Doch noch sieben Jahre nach dem gewaltsamen Ende des "Damaszener Frühlings" setzt das Regime auf Härte: Erst im April verhängte ein Gericht hohe Haftstrafen gegen Dissidenten und setzte damit einen Kurs fort, der bereits Ende vergangenen Jahres für Proteste von Diplomaten und Menschenrechtsorganisationen gesorgt hatten.
Das sture Vorgehen Assads überrascht vor allem deshalb, weil der seit der Ermordung des libanesischen Expremierministers Rafik Hariri im Februar 2005 international isolierte Präsident seit Ende vergangenen Jahres eine prominente politische Besucherschar begrüßen konnte.
Plötzlich wollten westliche Politiker wieder mit dem Paria der Staatengemeinschaft sprechen, ein Aufbrechen des Bündnisses Assads mit Irans Präsident Mahmud Ahmadinejad schien möglich: Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier machte im Dezember 2006 den Anfang, danach folgten die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, der EU-Außenpolitikchef Javier Solana sowie der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki-Moon.
Doch Assad stimmte in den Gesprächen mit der westlichen Politprominenz weder einer Aussetzung der über syrisches Territorium laufenden Waffenlieferungen an die libanesische Hisbollah von Generalsekretär Hassan Nasrallah zu, noch der von den Vereinten Nationen beschlossenen Einrichtung eines Tribunals zur Aufklärung des Mordes an Hariri und mehr als zwanzig weiteren Anschlägen im Libanon in den vergangenen zweieinhalb Jahren.
Seine voraussichtliche Wiederwahl am Sonntag dürfte an diesem Kurs nichts ändern - ebenso wenig wie die Gefechte zwischen der libanesischen Armee und Kämpfern der islamistischen Fatah al-Islam. Im Gegenteil: Gut zwei Jahre nach dem Abzug syrischer Truppen aus dem Libanon könnte die Krise in dem kleinen Nachbarland den Ruf nach der die Politik in der Zedernrepublik Jahrzehnte bestimmenden Ordnungsmacht Syrien wieder lauter werden lassen.