Irans Eliteeinheiten und Hisbollah dienen der syrischen Armee als wichtigste Stütze.
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Damaskus/Wien. Es ist sehr schwer, in die iranische Eliteeinheit (Al-Quds-Brigaden) aufgenommen zu werden. Furchtlosigkeit, Erfahrung in Spezialeinsätzen, Ausdauer sowie die Bereitschaft, sofort zum Märtyrer zu werden, wenn es der Operation dient, sind nur einige der strengen Kriterien im Aufnahmeprofil. Ausgebildet wird die sogenannte Königsklasse der iranischen Armee in Spezialcamps, die nicht nur im Iran abgehalten werden.
Eingesetzt wurde die Elitetruppe bereits im Libanon, im Irak und - wie in den letzten Tagen und Monaten - in Syrien. Der seit 2011 schwelende Bürgerkrieg wäre für das syrische Regime längst verloren, hätte Teheran nicht seine schützenden Hände über die Führung in Damaskus gelegt, monieren Experten. Dazu gehören neben den Al-Quds- und Hisbollahmilizen auch wirtschaftliche und finanzielle Hilfsspritzen wie Milliardenkredite und technisches Know-how wie Abhörgeräte und "Spezialgüter zur Kriegsführung". Der berühmteste Protagonist iranischer Auslandseinsätze der Al-Quds-Truppe ist zum rettenden Joker für die syrische Armee und ihrem Präsidenten Bashar al-Assad geworden: Qassem Soleimani.
Teherans Mann fürs Grobe
Gleich, ob im Iran-Irak-Krieg 1980 bis 1988, im Libanon-Konflikt 1985 bis 2000, im syrischen Bürgerkrieg oder in der Irak-Krise: "Teherans Mann fürs Grobe", wie er von seinen Kritikern genannt wird, ist der Chefkommandant der iranischen Elitetruppen und in dieser Position seit weit mehr als einem Jahrzehnt der iranische Experte für Spezialauslandseinsätze. Unter seinen Feinden ist er gefürchtet.
Dennoch zollt ihm selbst der Erzfeind USA unter vorgehaltener Hand Respekt. Offiziell gilt er als Terrorist, allerdings als einer, mit dem man sich besser nicht anlegt. John Maguire, ein führender CIA-Mitarbeiter, soll ihn als "derzeit mächtigsten Agenten im gesamten Nahen Osten" bezeichnet haben. Ob es nun - was die Perser heftig dementieren - hunderte oder tausende Milizen sind, die für Syriens Führung am Boden gegen die Rebellen sowie die Extremistenmiliz IS kämpfen, kann nicht unabhängig überprüft werden. Geht es nach der iranischen Führung, so unterstützt diese Assad nur "beratend und nicht personell". Feststeht aber, dass sie ihre Präsenz in den vergangenen zehn Tagen deutlich vermehrt haben.
Gemeinsam mit Elitekämpfern der Hisbollah, ebenfalls ein verlängerter Arm der iranischen Führung, haben Al-Quds-Brigaden mittlerweile einen nicht unerheblichen Teil der Operationen in Syrien übernommen. Soleimani und sein Team sind aber nicht nur für Syrien zuständig. Der Kommandant selbst betreut nicht nur die Koordination und Durchführung dieser Missionen, sondern hat auch bei den Ausbildungscamps ein gewichtiges Wort mitzureden. Zu seinen Kernaufgaben gehören die Ausarbeitung von Rekrutierungsplänen auf Basis straffer Strukturen, die Auswahl der Trainingsprogramme, die Zusammensetzung der Führungskräfte sowie schließlich der Masterplan für die "Schlachten gegen die Feinde". Seine Befehle erhält Soleimani ausschließlich vom mächtigsten Mann der islamischen Republik selbst: Ayatollah Ali Khamenei ist nicht nur Oberster Geistlicher Führer, sondern auch Chef aller Streitkräfte.
Wichtige Stütze für Khamenei
Khamenei vertraut seinem Prestigegeneral blind und hat ihn schon mehrfach mit den höchsten Auszeichnungen für seine besonderen Dienste honoriert. Khamenei hat ihn einmal als eine seiner "wichtigsten Stützen" und einen "lebenden Märtyrer der Islamischen Revolution" bezeichnet. Für sein Land zu töten, sei "ehrenhaft", soll Soleimani einem Vertrauten im Irak gesagt haben.
Durch seine heikle Rolle ist der 58-jährige General im Ausland, aber auch in einigen iranischen Kreisen nicht unumstritten. Nicht umsonst befindet sich sein Name auf zahlreichen Terroristenlisten.
Zurück zu den Al-Quds-Brigarden: Sie verfolgen bei all ihren Aktivitäten immer zwei Grundziele: Erstens soll der Iran nie wieder von außen angegriffen werden, zweitens soll die Eliteeinheit der Revolutionsgarden die "Königsklasse aller Truppen im Nahen und Mittleren Osten" repräsentieren. Dafür ist den Männern jeder Preis recht, auch die brutale Niederschlagung wehrloser Gegner. Untereinheiten seiner Sondertruppen sollen die iranische Bevölkerung bei den Protesten gegen die umstrittene Wiederwahl von Mahmoud Ahmadinejad 2009 brutal niedergeknüppelt haben. Damals wie heute wurden die zwielichtigen Methoden der Brigaden im Kampf heftig kritisiert. Generell hat diese Eliteeinheit den Ruf, über großes Know-how und erfahrene Kämpfer zu verfügen. Das trug in den vergangenen 30 Jahren dazu bei, dass der Iran im Kampf um die regionale Vorherrschaft mit dem Erzrivalen Saudi-Arabien deutlich an Boden dazugewinnen konnte.
Man weiß heute, dass Soleimani 2011 und 2012 zehntausende schiitische Milizionäre aus dem Iran, dem Irak, dem Libanon und aus anderen Ländern nach Syrien einfliegen ließ.
"Holen wir alles zurück"
Seit zehn Tagen ist die Operation "Holen wir alles zurück" in Syrien voll im Gange. Hierbei helfen russische Luftangriffe auf Assads Feinde und die iranischen Bodentruppen, möglichst viele der von den Rebellen und vom IS eroberten Gebiete zurückzuerobern. Heiß umkämpft sind die beiden Schlüsselstädte Aleppo und Homs. Gelingt es der Armee und ihren Verbündeten, diese beiden Hotspots zurückzuerobern, sitzt Assad wieder fest im Sattel.
Leidtragende der jüngsten Entwicklungen ist einmal mehr die Zivilbevölkerung. Türkischen Medienberichten zufolge, die sich auf Quellen in Syrien stützen, sind derzeit rund 50.000 Menschen auf der Flucht aus Aleppo. Bis zum Wochenende könnten rund 350.000 Menschen aus der Stadt die Flucht ergreifen, schreibt die Zeitung "Hürriyet". Viele von ihnen dürften in die Türkei fliehen - und versuchen, von dort weiter in die EU zu gelangen.
Auch in den kommenden Tagen wird es in Syrien wohl keine Entspannung geben, denn die Armee will noch in dieser Woche den Großraum Aleppo und danach auch weitere Gebiete, die die wichtigsten Handels- und Transportrouten des Landes markieren, angreifen.