Mit der Parlamentswahl, deren Resultat längst feststeht, will Damaskus die Friedensgespräche torpedieren - eine Analyse.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Bagdad. Eine Parlamentswahl, bei der keiner die Zahl der Wahlberechtigten kennt, bei der in weiten Teilen des Landes überhaupt nicht gewählt werden kann und bei der fast fünf Millionen geflohene Staatsbürger kein Stimmrecht haben. Das ist Assads Syrien. Keiner weiß, wie viele von den ehemals 23 Millionen Einwohnern noch verblieben sind, seit der blutige Bürgerkrieg vor fünf Jahren begann und seit dem das Land durch Bomben und Terror zerfetzt wird. Auffällig war im Vorfeld dieser Wahl die große Zahl der Frauen und Männer, die ihre Kandidatur zurückzogen. Ursprünglich wollten sich rund 11.000 Syrer um einen Sitz im Parlament bewerben. Übrig geblieben sind etwa 3500.
Es sei eine normale Angelegenheit, dass so viele aufgegeben hätten, erklärte der Chef der Wahlkommission, Hischam al-Schaar. Sie hätten festgestellt, dass sie für die Wahl nicht geeignet seien und kaum Chancen hätten. So kann man die Frustration über eine Wahl, die eigentlich keine ist, auch ausdrücken. Generell gilt das syrische Parlament als der Ort, an dem Staatschef Bashar al-Assad und sein Regierungsclan ihre Politik von den 250 Abgeordneten abnicken und bejubeln lassen. Die Kammer - zuletzt vor vier Jahren gewählt - ist fest in der Hand der regierenden Baath-Partei, woran auch die neue Abstimmung nichts ändern wird.
Festhalten am Status quo
Der Geist der Aufbruchstimmung des Jahres 2000, als Bashar al-Assad seinem verstorbenen Vater Hafez im Präsidentenamt nachfolgte und zum ersten Mal gemäßigte Oppositionelle für die Wahlen kandidieren durften, Reformen der Baath-Partei in Aussicht gestellt wurden und das Land eine vorsichtige Öffnung Richtung Westen betrieb, hat sich ins Gegenteil verkehrt.
Die meisten Syrer, die in den vergangenen Jahren ihr Land verlassen haben, sind vor dem Terror des Regimes und nicht vor jenem des sogenannten "Islamischen Staates" geflohen. Das belegen Umfragen unter Flüchtlingen in Europa, aber auch Erhebungen in Syrien.
Warum also die Farce einer Wahl, deren Resultat schon im Vorhinein feststeht und an der ein Großteil der Bevölkerung nicht teilnimmt? Das Regime um Machthaber Assad tut alles, um zumindest nach außen hin den Schein zu wahren und eine gewisse Normalität vorzuspielen. An Straßen und Kreuzungen in der Hauptstadt Damaskus gibt es zahlreiche Wahlplakate, Männer und Frauen werben darauf für sich und eine bessere Zukunft des Landes. Es wirkt wie eine Fatamorgana in einer ansonsten vom Untergang gekennzeichneten Wüste. Verbissen wird an einem Status quo festgehalten, den es schon lange nicht mehr gibt.
Die Abstimmung wird als Störfeuer für die dritte Runde der Genfer Friedensgespräche gesehen, die am selben Tag begannen und an deren Fortschritt selbst Russland ein Interesse hat, das Assad ansonsten nach Kräften unterstützt. Bislang stecken die Verhandlungen im Anfangsstadium fest. Die Konfliktparteien saßen sich noch nicht einmal direkt gegenüber. UN-Vermittler Staffan de Mistura machte vor Beginn der neuen Runde deutlich, er wolle jetzt in Genf zügig auf konkrete Fragen zu sprechen kommen. Ein zentrales Thema: freie und faire Wahlen für alle Syrer unter Aufsicht der Vereinten Nationen.
Assad als Retter
In Damaskus hingegen hat man nicht den Eindruck, als ob die gestrige Abstimmung nur für ein Übergangsparlament abgehalten wurde, bis dann die von der internationalen Gemeinschaft stattfindet. Nicht auszudenken, dass letztendlich zwei Parallelveranstaltungen etabliert werden könnten. Libyen lässt grüßen.
"Suriyya al-Assad" - "Assads Syrien", mit dieser plakativen Formel lässt das syrische Regime keinen Zweifel daran, wem das Land gehört und auch weiterhin gehören soll. Assad und sein Clan geben sich als Retter vor der islamistischen Bedrohung, als Befreier Palmyras. Auch wenn es nicht um die Wahl des Präsidenten geht, so war er doch im Wahlkampf omnipräsent. Und immer mehr Menschen jubeln ihm zu. Denn seine Kritiker sind entweder tot, im Gefängnis, im Ausland oder in anderen Teilen Syriens, wo nicht gewählt werden kann, weil sie von Rebellen, dem IS oder den Kurden kontrolliert werden.
Seit einem Militärputsch 1970 herrschen die Assads in Syrien, indem sie ihre Macht auf drei Stützen bauen: das Militär, die Geheimdienste und die ursprünglich sozialistisch inspirierte arabisch-nationalistische Baath-Partei. Letztere wird aus den Wahlen gestärkt hervorgehen - so viel steht fest.