Syrische Armee wirft Fassbomben über Idlib ab. Die Türkei warnt vor humanitärer Katastrophe.
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Ankara/Teheran/Damaskus. Der syrische Diktator Bashar al-Assad hat wenig Hemmungen, international geächtete Waffen einzusetzen: Am Wochenende warfen syrische Armeehubschrauber über dem Dorf Hobait im Süden der Provinz Idlib Fassbomben ab, es gab Tote und Verletzte. Und es wird nicht der letzte Einsatz dieser grausamen und billig produzierbaren Waffe gewesen sein.
Das Regime in Damaskus streitet regelmäßig ab, Fassbomben eingesetzt zu haben, Experten der Vereinten Nationen haben allerdings Beweise vorgelegt, dass das sehr wohl der Fall war.
TNT und Metallteile
Bei Fassbomben handelt es sich um primitive Sprengkörper, die aber eine fürchterliche Wirkung entfalten: Ein Fass oder ein beliebiger anderer Behälter wird mit bis zu einer Tonne des hochexplosiven TNT-Sprengstoffs gefüllt. Dazu kommen Metallteile. Damit der Aufschlagzünder zuerst am Boden aufkommt und um die Flugbahn zu stabilisieren, werden Bleche als Flügel an das Fass geschweißt. Mit diesen Bomben wurden in von Rebellen gehaltenen Städten Häuserzeilen dem Erdboden gleichgemacht, die Metallsplitter verursachen fürchterliche Verletzungen.
Dazu kommt, dass Fassbomben nicht nur mit Sprengstoff, sondern auch mit Giftgas gefüllt werden können. Zuletzt soll laut der syrischen Rettungsorganisation Weißhelme in Douma eine Fassbombe mit einem chemischen Mittel abgeworfen worden sein. 150 Menschen wurden dabei laut den Weißhelmen getötet und mehr als 1000 verletzt.
Bisher konzentrieren sich die Luftangriffe syrischer und russischer Kampfjets auf den Westen und den Süden der Provinz Idlib. Dort befinden sich bewaffnete Kräfte der Freien Syrischen Armee, aber auch der "Hayat Tahrir al-Sham", die international als terroristisch gilt (siehe Grafik). Die syrische Regierung will die letzte noch verbliebene Hochburg der Rebellen ausradieren und kennt bei der Umsetzung des Vorhabens wenig Skrupel.
Auch Iran gibt sich besorgt
Dazu kommt, dass ein großer Teil der Rebellen fanatisiert ist, nichts mehr zu verlieren hat und mit dem Rücken zur Wand kämpft. Es ist zu befürchten, dass die Terrormiliz "Hayat Tahrir al-Sham" Zivilisten als menschliche Schutzschilde missbrauchen wird. Die Opferzahl wird hoch sein.
Knapp drei Millionen Zivilisten sind in Idlib eingekesselt, die Fluchtmöglichkeiten sind begrenzt. Die Türkei warnt vor einer humanitären Katastrophe. Angesichts der Offensive auf die Rebellen-Enklave rief der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die internationale Gemeinschaft zum Handeln auf. Andernfalls werde "die ganze Welt den Preis dafür zahlen müssen", so Erdogan in einem Beitrag für das "Wall Street Journal". Russland und der Iran hätten die Verantwortung, die humanitäre Katastrophe in der Region zu beenden. Der Sonderbeauftragte des iranischen Außenministeriums, Hussein Jaberi Ansari, pflichtet Erdogan jetzt bei und meinte Genf: "Wir sind auch besorgt."
Unterdessen zeigen sich in Deutschland Politiker aus Regierungskoalition und Opposition grundsätzlich offen für eine deutsche Beteiligung an einem etwaigen Vergeltungsschlag in Syrien. Für den Fall eines Giftgas-Angriffs der syrischen Armee auf die Rebellen-Enklave Idlib schlossen Vertreter von CDU, CSU, FDP und Grünen einen solchen Schritt nicht aus.
Die USA und Frankreich haben dem Regime in Damaskus bereits für ein Fall eines Giftgas-Einsatzes mit militärischen Konsequenzen gedroht. Moskau hat die Drohungen als "Erpressung" zurückgewiesen.
Krieg ohne Sieger
Am Sieg Assads und seiner Verbündeten zweifelt kaum jemand. Der mörderische Feldzug könnte auch die Sieger Russland und Iran teuer zu stehen kommen. Die Milliardenhilfe aus Europa, die nötig wäre, um Syrien aufzubauen, würde dann nicht fließen, an eine Rückkehr der Flüchtlinge wäre nicht zu denken. Mit einer syrischen Trümmerlandschaft ist auch Kremlherr Putin nicht gedient, immerhin will er den Lohn für einen dreijährigen Militäreinsatz einkassieren und braucht dazu ein florierendes Syrien. Der Krieg kostet Moskau drei Millionen Dollar pro Tag.
Französische und deutsche Militärs gehen davon aus, dass die Kämpfe bis Ende des Jahres dauern werden. Dann bleibt immer noch die Frage, was mit den Kurdengebieten auf syrischem Territorium geschehen wird. Assad hat bereits klargemacht, dass er diese nicht tolerieren will. Auch die Türkei ist mit eigenen Soldaten auf syrischem Gebiet präsent.