José Bové, der zweite Spitzenkandidat der Grünen, kämpft gerne gegen die Großen der Welt, gegen die Lobbys und Konzerne.
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Paris. In einen Hamburger von McDonald’s hat er wohl noch nie im Leben gebissen. Und wenn, dann höchstens fernab der Kameras, um seine Glaubwürdigkeit zu bewahren - José Bové zum Imbiss in dem US-amerikanischen Schnellrestaurant, zu dessen schärfsten Gegnern er gehört, das wäre im wahrsten Wortsinn ein gefundenes Fressen für die Medien. Doch obwohl der 60-jährige Franzose gemeinsam mit der 32-jährigen Deutschen Ska Keller als Spitzenduo der Europäischen Grünen Partei in den Europawahlkampf zieht, steht Bové heute weniger im Fokus als früher. Der Politiker, Landwirt und Umwelt-Aktivist mit dem markanten Schnauzbart und der Pfeife im Mund ist ruhiger geworden.
Vorbei scheinen die Zeiten, als er die Öffentlichkeit mit spektakulären Aktionen auf Trab hielt, wie der Zerstörung von Genmais-Plantagen oder der Demolierung einer Baustelle für ein neues McDonald’s-Restaurant 1999 im südwestfranzösischen Millau, die ihn weltberühmt machte. Er protestierte damit gegen die Entscheidung der USA, Produkte wie französischen Roquefort-Käse mit Strafzöllen zu belegen, eine Reaktion auf Europas Import-Verbot von Rindfleisch mit Wachstumshormonen.
Die US-Fastfood-Kette erschien Bové als ideales Symbol für das von ihm kritisierte System des "ungezügelten Kapitalismus", die Übermacht der Lebensmittel-Industriekonzerne und ungesundes Fast Food. Mehrmals brachten ihm seine Aktionen Verurteilungen und sogar Haft ein. Einmal rollte er direkt mit dem Traktor und begleitet von hunderten Anhängern zum Gefängnis: Bovés ausgesprochenes Händchen für mediale Inszenierungen machte aus ihm eine linke Ikone.
Aufgewachsen im südwestfranzösischen Talence und zeitweise in den USA als Sohn eines Luxemburger Biologen und einer französischen Professorin, widersetzte er sich als Kind in einer Jesuitenschule dem Religionsunterricht. Als junger Mann versteckte er sich bei einem Landwirt, um nicht für den Militärdienst eingezogen zu werden, und verweigerte auch den Zivildienst. Früh stand Bové pazifistischen und antimilitaristischen Bewegungen nahe, beharrte dabei auf gewaltlosem Protest: "Lieber Gandhi als Guevara", sagte er. 1976 bezog er mit seiner späteren Frau und Mutter der zwei gemeinsamen Töchter, Alice Monier, einen Bauernhof in Larzac, wo er Schafe züchtete. Als Gegengewicht zum mächtigen französischen Bauernverband gründete er eine eigene landwirtschaftliche Gewerkschaft, 2004 wurde Bové Sprecher der internationalen Landwirtschaftsorganisation "Via Campesina".
2007 trat der Mitbegründer von Attac als grüner Präsidentschaftskandidat mit einem "antiliberalen, ökologischen und antiproduktivistischen" Programm an, erhielt aber lediglich 1,32 Prozent der Stimmen. Heute gehören zu Bovés Schwerpunkten der Kampf gegen die Erlaubnis genmanipulierter Lebensmittel, für den Schuldenerlass armer Länder und gegen die Absenkung sozialer und ökologischer Standards in den Verhandlungen über ein transatlantisches Handelsabkommen mit den USA.
Rebellischer Gallier, bäuerlicher Robin Hood, um die Welt jettender Globalisierungsgegner - von all den Etiketten, die Bové im Laufe der Zeit angeheftet wurden, passt der Vergleich mit Asterix vielleicht am besten: ein verwegener Held, der es mit den Großen der Welt, den Lobbys und Konzernen aufnimmt. Sein unangepasstes Image hat ihm in Frankreich große Sympathien verschafft.
Seit 2009 Abgeordneter im EU-Parlament und dort Vizepräsident der Kommission für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, spricht er sich heute für mehr europäische Integration aus: "Wir müssen erklären, warum uns Europa stärker macht und beschützt", sagt er. "Ich stehe klar auf der Gegenseite derer, die den nationalen Rückzug predigen."