Ablenken oder Zerstören gefährlicher Himmelskörper ist noch Zukunftsmusik.
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Wien. Nur die wenigen, die schon am 21. Dezember enttäuscht waren, dass mit dem Ablauf des Maya-Kalenders die Welt nicht untergegangen ist, werden es wohl auch am Freitagabend sein. Denn der am 15. Februar - zumindest bei klarem Himmel, den es aber laut Wettervorhersage kaum geben wird - ab 20.38 Uhr von Wien aus mit dem Fernglas sichtbare Asteroid "2012 DA 14" wird nach einhelliger Meinung der Astronomen auf der Erde keinen Schaden anrichten.
Immerhin möglich, wenn auch extrem unwahrscheinlich, wäre aber eine Kollision des Asteroiden mit einem der in etwa 36.000 Kilometer Höhe positionierten Satelliten. da sich der Himmelskörper der Erde auf rund 27.000 bis 28.000 Kilometer Distanz nähert. Das mutmaßlich aus Silikatgestein bestehende Objekt dürfte etwa 45 Meter Durchmesser haben und sich mit einer Geschwindigkeit von etwa acht Kilometern pro Sekunde (29.000 km/h) bewegen - zunächst durch die Sternbilder Jungfrau und Haar der Berenike, später durch das Sternbild der Jagdhunde in den Großen Bären. Die Helligkeit, so die Astronomen, dürfte jener des Planeten Neptun entsprechen.
Unterschiedliche Kaliber von Asteroiden
Der Einschlag eines riesigen Asteroiden gehört zu den bekanntesten und im Grunde auch zu den am ehesten realistischen Weltuntergangsszenarien. Der Astronom Wolfgang Baumjohann, der in Graz das Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften leitet, sieht aber in Asteroiden von der Größe von 2012 DA 14 allenfalls eine regionale, aber keine globale Gefahr. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, dass ein solches Objekt auf der Erde nur unbewohntes Gebiet trifft - wie der berühmte Asteroid von Tunguska, der 1908 in Sibirien 2000 Quadratkilometer Wald mit Millionen Bäumen flachlegte. Würde eine Großstadt oder ein Atomkraftwerk betroffen, hätte das verheerende Folgen, bei einem Einschlag im Meer wäre auch ein Tsunami im Ausmaß der Fukushima-Katastrophe denkbar.
Ein anderes Kaliber ist schon der im Jahr 2004 entdeckte Asteroid Apophis, der 300 Meter Durchmesser aufweist und am 13. April 2029 der Erde sehr nahekommen wird. Experten schließen aber auch in diesem Fall eine Kollision aus. Allerdings nähert sich dieser Asteroid bereits 2036 wieder der Erde, die genaue Distanz dabei lässt sich noch nicht berechnen.
Für Wolfgang Baumjohann steht jedenfalls fest, dass es, wenn sich ein wirklich riesiger Asteroid der Erde nähert, eine Vorwarnzeit von mehreren Jahren, wenn nicht Jahrzehnten geben wird. Sogar der aktuelle kleine 2012 DA 14 wurde bereits am 23. April 2012 entdeckt. Seit den 1990er Jahren halten Astronomen systematisch nach möglicherweise bedrohlichen Asteroiden Ausschau, dabei haben sie noch nie ein Objekt in der Größe von 2012 DA 14 gesehen, das der Erde so nahe kommt. Fazit: Je größer ein Asteroid ist, umso gefährlicher ist er, umso früher wird er aber auch entdeckt.
"Der Krieg der Sterne" mit entsprechenden Spielen im virtuellen Raum ist zwar schon lange Gesprächsstoff, aber ist die Menschheit wirklich schon vorbereitet, um von Asteroiden ausgehende Bedrohungen abzuwehren?
"Man denkt darüber nach, was man tun könnte, und stellt fest, dass man nichts tun könnte", umreißt Baumjohann nüchtern die derzeitige Lage, "alles andere ist Hollywood." Nur in Filmen sei man schon so weit, dass man Asteroiden, wenn sie sich noch in großer Distanz zur Erde befinden, unschädlich machen kann.
Internationale Initiativen zur planetaren Verteidigung
Die Weltraumagenturen, ob ESA in Europa oder Nasa in Amerika, sind sich aber der Gefahr bewusst und arbeiten schon an Lösungen. 2009 hielt die "International Academy of Astronautics" in Spanien ihre erste Konferenz zum Thema "Die Erde vor Asteroiden schützen" ab. Im Jänner 2012 startete das von der deutschen Raumfahrtagentur DLR koordinierte internationale Forschungsprojekt "NEOShield", das die planetare Verteidigung bei Bedrohung der Menschheit durch erdnahe Objekte zur Aufgabe hat.
Baumjohann rechnet damit, dass es spätestens in 20 Jahren Ergebnisse auf diesem Gebiet geben wird. Vorstellbar ist die Errichtung eines stationären Raketentriebwerks außerhalb des Satellitengürtels, von dem im Fall des Falles ein Asteroid beschossen werden könnte, um ihn abzulenken oder in so kleine Teile aufzulösen, dass die Schäden relativ gering ausfallen.
Die Zeit bis dahin sollte reichen, denn die ganz großen Brocken unter den Asteroiden kennt man, und die nähern sich der Erde nicht wie die kleineren von der Größe des 2012 DA 14 alle paar Jahre oder Jahrzehnte, sondern in viel größeren Zeitabständen. Die Häufigkeit von Einschlägen großer Brocken von 500 bis 5000 Meter Durchmesser wird auf alle zwischen 70.000 und sechs Millionen Jahre geschätzt. Laut Hochrechnung ist auf dem Festland alle zwei bis drei Millionen Jahre ein Einschlag, der einen 20 Kilometer großen Krater hinterlässt, zu erwarten.
Was Asteroiden schon angerichtet haben, dokumentiert die "Earth Impact Database", die 183 nachgewiesene Einschlagkrater auf der Erde auflistet. Der größte und älteste, der Vredefort-Krater in Südafrika, entstand vor zwei Milliarden Jahren und hatte ursprünglich 250 bis 300 Kilometer Durchmesser. Der mit 180 Kilometer Durchmesser drittgrößte Krater, der Chicxulub-Krater im Untergrund der mexikanischen Halbinsel Yucatan, ist wohl der berühmteste: Er erinnert an das Aussterben der Saurier und vieler anderer Lebewesen vor 65 Millionen Jahren.
Nach Ansicht von Experten soll der Asteroid 2012 DA 14 bis zu 195 Milliarden Dollar (145 Milliarden Euro) wert sein. Wenn nur zehn Prozent seiner Masse aus wertvollen Rohstoffen wie Eisen und Nickel bestünden, seien diese nach derzeitigen Marktpreisen bereits 130 Milliarden Dollar wert, teilte das Unternehmen Deep Space Industries mit. Schätzungsweise fünf Prozent des Asteroiden seien nutzbares Wasser, das rund 65 Milliarden Dollar koste.