Die Regierung will Flüchtlinge so schnell wie möglich in den Arbeitsmarkt integrieren. Die Asylgesetznovelle dürfte die Flüchtlinge jedoch in Sachen Arbeit benachteiligen - die Sozialpartner üben Kritik.
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Wien. Wenn es um politische Ideen und Gesetze geht, war hierzulande in jüngerer Vergangenheit häufig vom "deutschen Modell" die Rede. Und zwar gleich, ob es um öffentliche Transparenz, eine U-Ausschuss-Reform oder um den Kampf gegen Steuerbetrug ging. Immer wieder verwiesen österreichische Politiker auf ein entsprechendes "deutsches Modell", das man gewissermaßen nur mehr rot-weiß-rot einfärben müsse. Und warum auch nicht? Deutschland ist in vielerlei Hinsicht ein gutes Referenzland für Österreich, und zudem lassen sich allfällig aufgetretene Schwierigkeiten in der Umsetzung gleich in die heimische Gesetzgebung einarbeiten. Praktisch.
Eher ungewöhnlich ist es, ein Gesetz beschließen zu wollen, bei dem das "deutsche Modell" erst kürzlich ausgemustert wurde. So passiert mit dem von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner betriebenen "Asyl auf Zeit". Deutschland hatte es, hob es jedoch wegen Erfolglosigkeit auf. In Österreich befindet sich die entsprechende Gesetzesnovelle hingegen gerade in Begutachtung, am Montag läuft die Frist ab. Noch sind erst sieben Stellungnahmen eingelangt, weitere werden aber folgen. Was sich bereits sagen lässt: Die Freude über das Gesetz wird sich in Grenzen halten.
Mehrkosten für den Verwaltungsgerichtshof
Der Verwaltungsgerichtshof rechnet mit viel mehr Arbeit und macht zumindest 500.000 Euro Mehrkosten geltend. Die halbe Million Euro sei zudem eine vorsichtige Schätzung. Denn die Novelle sieht nun eine deutliche Schlechterstellung von Personen mit subsidiären Schutz gegenüber jenen mit einem Asylstatus vor. Vor allem soll bei Ersteren erst nach drei Jahren ein Antrag auf Familienzusammenführung möglich sein. Deshalb vermutet der VwGH, dass er künftig weitaus öfter mit der Frage betraut werden wird, ob Asyl oder eben doch nur subsidiärer Schutz erteilt wird.
Auch der Anwalt Georg Bürstmayr sieht dies als logische Konsequenz. Er hat für den Österreichischen Rechtsanwaltskammertag eine sehr kritische Stellungnahme verfasst und rät überhaupt vom Beschluss des Gesetzes ab. Er hält es in einem Detail auch für möglicherweise verfassungswidrig. Denn auch Minderjährige, die subsidiären Schutz erhalten, müssten drei Jahre lang warten, bis ein Elternteil einen Antrag bei der österreichischen Botschaft im Herkunftsland stellen dürfte.
Bei Kindern und Jugendlichen sei die familiäre Trennung noch ein "wesentlich schwerwiegenderer Eingriff in ihr verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens", schreibt Bürstmayr. Dieser Passus könne daher als verfassungswidrig angesehen werden und müsse entsprechend geprüft werden.
Ein weiterer wesentlicher Kritikpunkt des auf Asyl spezialisierten Anwalts ist die zeitliche Befristung des Aufenthaltstitels auf künftig drei Jahre. Dies würde erstens die Verwaltung übergebührlich belasten, da bei negativen Entscheidungen zwingend jeder Fall einzeln neu geprüft wird. Zweitens droht laut Bürstmayr durch die "Asyl auf Zeit"-Regelung eine Benachteiligung auf dem Arbeits- und dem Wohnungsmarkt und damit "absehbare negative Folgen für die Integration von anerkannten Flüchtlingen".
Denn das ist ja auch ein erklärtes Ziel der Bundesregierung: die Flüchtlinge so schnell und so gut es geht in die Gesellschaft zu integrieren. Erst kürzlich hat der zuständige Minister Sebastian Kurz einen durchaus vielbeachteten 50-Punkte-Plan einer Expertengruppe präsentiert. In diesem steht wörtlich: "Ziel der Integration ist die rasche Selbsterhaltungsfähigkeit von Asyl- und subsidiär Schutzberechtigten." Das heißt: Arbeit.
Doch ein grundsätzlich befristeter Aufenthaltstitel ist ein Nachteil auf dem Arbeitsmarkt. "Aus Arbeitgebersicht führt ein befristeter Aufenthaltstitel zu einer Erschwernis im Bereich der Arbeitsmarktintegration", heißt es von der Industriellenvereinigung, denn man wolle nicht in einen Arbeitnehmer investieren und diesen nach kurzer Zeit wieder verlieren.
Schon vor Jahrzehnten, als die Wirtschaft nach Gastarbeitern verlangte, stellte sich der einst temporär gedachte Aufenthalt in der Praxis als unpraktisch heraus. Entsprechend wurden dann auch die Verträge angepasst, die Gastarbeiter blieben.
Die Sozialpartner arbeiten noch an Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf, positiv werden aber auch diese nicht ausfallen. Die Wirtschaftskammer findet zwar das "politische Signal nachvollziehbar", wie Margit Kreuzhuber, Beauftragte für Integration sagt, ihrer Ansicht nach müsse jedoch der Entwurf angepasst werden. Der Vorschlag der Wirtschaftskammer: Asylberechtigte sollen bei einer Beschäftigung ab einem Jahr von dieser Drei-Jahres-Regel ausgenommen werden.
Asyl auf Zeit nicht "integrationsfördernd"
Vom Gewerkschaftsbund wird es zwar keine Stellungnahme geben, "Asyl auf Zeit" sei jedoch keine Maßnahme, die "integrationsfördernd" sei, wie es aus dem ÖGB heißt. Bei der Industriellenvereinigung sieht man es sogar als "kontraproduktiv" in Sachen Integration an, den Asylstatus künftig nur mehr temporär zu vergeben.
In ihrer Grundausrichtung widersprechen sich damit die Bestrebungen der Bundesregierung doch signifikant. Auf der einen Seite der Versuch, die Flüchtlinge schnell in Arbeit zu bringen, auf der anderen Seite würden mit der Asylgesetznovelle wohl neue Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt geschaffen werden.
Als die Bundesregierung den Entwurf im Ministerrat beschloss, wirkte die Überzeugung der SPÖ-Minister eher gespielt, und Klubchef Andreas Schieder kündigte an, die bestehenden Regelungen bei der Familienzusammenführung beibehalten zu wollen. Klar ist, dass der Entwurf wie er derzeit formuliert ist, keine Mehrheit im SPÖ-Klub bekommen würde.
Die unter anderem von Bürstmayr vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken ließen sich wohl durch legistische Unformulierungen recht simpel beheben, so könnte man minderjährige Flüchtlinge von der Drei-Jahres-Frist beim Familiennachzug ausnehmen. Bei der "Asyl-auf-Zeit"-Regelung gibt es jedoch nur ein Entweder-oder.
Fraglich ist zudem die Wirksamkeit der Maßnahme, die laut den Sozialpartnern zunächst einmal ein Integrationshemis darstellt. Schon das Asylverfahren dauert Monate, manchmal Jahre. Sollte nach einem positiven Bescheid dieser Aufenthaltstitel nach drei Jahren wieder entzogen werden, wird es noch einmal Monate dauern, bis auch der Instanzenweg erschöpft und die Entscheidung rechtskräftig ist. Leicht können bis dahin fünf Jahre vergangen sein und wenn noch gute Deutschkenntnisse vorliegen, wird eine Ausweisung aus Österreich schwierig. Oft gilt in solchen Fällen der Aufenthalt als verfestigt.