Österreich macht sich für Pilotprojekt zu neuem Verteilungsschlüssel für Asylwerber stark.
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Brüssel. So hehr das Ziel, so umstritten die Wege dazu. "Leben retten" nannte das österreichische Innenministerium die Asylinitiative, die unter anderem einen Verteilungsschlüssel vorsieht, nach dem Flüchtlinge auf EU-Staaten aufgeteilt werden. Doch während nach jedem Bootsunglück im Mittelmeer, bei dem Menschen auf ihrem Weg nach Europa sterben, die EU einstimmig ihr Erschüttern zum Ausdruck bringt, fällt es den Mitgliedstaaten schon weit schwerer, sich auf eine gemeinsame Linie zur Verhinderung solcher Tragödien zu finden. Die "Save Lives"-Initiative ist eine Idee dabei; eine andere kam aus der deutschen Regierung. Sie beruhte darauf, Auffanglager in Nordafrika einzurichten. Und etliche Länder drängen darauf, die EU-Grenzschutzagentur Frontex zu stärken.
Diese hat erst vor kurzem davor gewarnt, dass heuer mehr Flüchtlinge als zuvor versuchen könnten, nach Europa zu gelangen: Nach Schätzungen seien zwischen 500.000 und einer Million Menschen in Libyen zur Reise bereit. Immer wieder forderte die Behörde mehr Geld und Personal, um ihren Aufgaben nachkommen zu können.
Doch trotz der Appelle und regelmäßigen Todesnachrichten waren die Innenminister der Union bei ihrem Treffen in Brüssel von gemeinsamen Beschlüssen noch entfernt. Allerdings konnte die österreichische Ressortleiterin Johanna Mikl-Leitner von einer Zusage der EU-Kommission berichten, dass diese einen Vorschlag zu "Save Lives" ausarbeiten werde. Einen Entwurf für ein entsprechendes Pilotprojekt erwartet die Ministerin "in den nächsten Wochen". Innenkommissar Dimitris Avramopoulos zeigte sich bei der Erstellung eines Zeitplans vorsichtiger: Dazu könne er noch nichts sagen, aber er sei kommende Woche in Wien, wo es weitere Gespräche mit der Regierung geben werde.
Flucht und Asyl dominieren Debatte um Migration
Die Brüsseler Behörde selbst hatte in der Vorwoche angekündigt, im Mai eine Migrationsagenda vorzustellen. Die Pläne umfassen die Verstärkung des Grenzschutzes aber auch der Asylsysteme sowie die Bekämpfung des Schlepperwesens. Allerdings wies Avramopoulos auch darauf hin, dass gleichzeitig eine europäische Politik für legale Migration geschaffen werden müsse. Diese ist freilich bisher an der Ablehnung der meisten Mitgliedstaaten gescheitert, die ihre nationalen Zuständigkeiten zur Regelung von Einwanderung nicht beschränkt wissen möchten.
Daher kreist die Debatte weiterhin in erster Linie um die Themen Flucht und Asyl. Doch auch dabei sollen "legale Kanäle" eröffnet werden, die Menschen von einer von Schleppern organisierten Überfahrt abhalten sollen. Das fordern Flüchtlingsorganisationen immer wieder, für die jedoch die Errichtung von Auffanglagern in Nordafrika keine Lösung darstellen. "Pro Asyl" beispielsweise sähe darin ein "Instrument zur Aushebelung des Asylrechts in Europa". Die EU dürfe die Verantwortung nicht von sich abschieben.
Die österreichische Initiative ist zwar auch an die Idee von solchen Zentren in Drittstaaten geknüpft, doch sollen dort keine Asylanträge bearbeitet werden. Vielmehr sollen Organisationen wie das Flüchtlingshilfswerk UNHCR feststellen, ob jemand schutzbedürftig ist oder nicht. Die Asylverfahren selbst würden in den jeweiligen EU-Ländern durchgeführt, heißt es aus dem Innenministerium. In welchem Staat das geschehen würde, wäre vom Verteilungsschlüssel abhängig. Diese Quote würde sich nach den Vorstellungen Wiens nicht nur nach der Einwohnerzahl eines Aufnahmelandes richten, sondern beispielsweise auch nach dessen Wirtschaftskraft sowie bisherigen Asylzahlen. Laut internen Berechnungen hätte Österreich bei diesem Modell im Jahr 2013 rund 10.000 Anträge weniger zu bearbeiten.
Ruf nach Taskforcefür den Westbalkan
Doch nicht nur die Flüchtlinge, die über das Mittelmeer in die Union gelangen wollen, geben so manchem Land Anlass zur Sorge, sondern auch die Migrationsversuche aus Balkanstaaten, vor allem aus dem Kosovo. In Deutschland etwa haben seit Jahresanfang fast 52.000 Menschen Asyl beantragt - doppelt so viele wie vor einem Jahr. Allein aus dem Kosovo und dem Bürgerkriegsland Syrien kamen im Jänner und Februar fast 17.000 Menschen. Für Österreich meldete das Innenministerium einen Rückgang: Habe es noch Anfang Februar 500 Anträge von Kosovaren gegeben, seien es in der Vorwoche nur noch 46 gewesen.
Trotzdem gibt es derzeit eine Debatte über die Einrichtung einer "Taskforce" für den Westbalkan, wie es eine ähnliche Einheit für das Mittelmeer gibt. Denn nicht nur die Meeres-, sondern auch die Landes-Außengrenzen der EU sollten besser geschützt werden, finden die meisten Mitglieder. Zu diesem Zweck sollte die operative Kapazität von Frontex verbessert werden. Das würde aber auch einen finanziellen Mehraufwand bedeuten. Das machte Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans schon bei der Ankündigung der Migrationsagenda klar. "Wenn wir wollen, dass Frontex mehr Aufgaben übernimmt, muss die Behörde mehr Geld haben", sagte er. Zu solch einer Verpflichtung waren die Regierungen allerdings noch nicht bereit.