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Asyl und Gottes Beitrag

Von Clemens Neuhold, Jan Michael Marchart und Marina Delcheva

Politik

Pfarren, Klöster und Diözesen sollen mehr Pforten für Asylsuchende öffnen. Leistet die Kirche genug für Flüchtlinge?


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Wien. Im Juli 2014 verschickte der Büroleiter der Asyllandesrätin von Niederösterreich, Hermann Priller, rund 600 Briefe an alle Pfarren im Bundesland mit einer Bitte: Nehmt Asylwerber. 15 Antworten kamen retour, ganze neun Plätze entstanden aus der Aktion. Im Februar 2015 wiederholte er die Aktion. Fazit: 20 neue Plätze.

"Wir wollten alles versuchen und vermuteten, dass die Pfarren wegen diverser Zusammenlegungen über ausreichend leer stehende Gebäude verfügen. In Summe war es aber nicht der große Wurf", sagt Priller heute. Die Asylagenden liegen seit April bei SPÖ-Landesrat Maurice Androsch.

Was ist seither geschehen? Kommt die Kirche ihrer Kernaufgabe der Menschlichkeit zu wenig nach? Immerhin schlafen in Traiskirchen bis zu 600 Personen am Boden. Von ihrem Selbstverständnis ist die Kirche in der humanitären Flüchtlingskrise besonders gefordert - auch deswegen, weil sie neben kleinen Pfarrgebäuden über unzählige große Stifte und Klöster verfügt.

Zahlreiche Immobilien in Kirchenhand

Die katholische Kirche ist der drittgrößte Immobilienbesitzer des Landes. Mit ihren neun Diözesen und zahlreichen Orden verwaltet sie ein Milliardenvermögen, über welches sie sich lieber bedeckt hält. Laut einer Studie des Instituts für Höhere Studien erwirtschaftet die römisch-katholische Kirche in Österreich jährlich 6,65 Milliarden Euro. Die Autoren des Buches "Gottes Werk und unser Beitrag" schätzen den Immobilienbesitz auf eine halbe Milliarde Euro.

Konkrete Zahlen über die Anzahl der Kirchen-Immobilien gibt es nicht. Vor allem, weil manche Räumlichkeiten als "göttlich" gewertet werden, andere wiederum nicht. Deshalb ist es auch sehr schwierig festzustellen, in welchem Ausmaß die Kirche Flüchtlinge aufnehmen kann.

Zurück zu den Flüchtlingen: Angesichts dieser Vermögenswerte drängt sich nun die Frage auf, wie viel davon etwa der Flüchtlingsbetreuung zugute kommt und ob das Engagement - wie die Briefaktion in Niederösterreich vermuten ließe - unter dem Limit ist. Ein Anruf bei der Diözese St. Pölten. Dort bestätigt man die eingangs erwähnten Briefe, die auf wenig Zustimmung stießen. "Das hat sich aber geändert", sagt eine Sprecherin. Mittlerweile wären mehr als 300 Flüchtlinge in 33 Pfarrgemeinden untergebracht. Vor zwei Monaten stand man noch bei der Hälfte. "Tendenz steigend", so die Sprecherin. Allein am Montag würden im Stefanusheim in Horn 100 neue Flüchtlinge aufgenommen. Auch die Bischofsvilla der Erzdiözese St. Pölten wurde für 12 Flüchtlinge geöffnet. Dort werden sie seither vom kirchlichen Personal betreut. Die Caritas betreut derzeit 10.350 Asylsuchende mobil und über 4000 in der Grundversorgung, also selbst. Ein Großteil dieser 4000 Menschen seien in Pfarren, Klöstern und anderen Liegenschaften der Kirche untergebracht. "Viele kleine Pfarren oder Klöster machen hier sehr viel", sagt eine Sprecherin der Caritas. Es würden laufend Plätze angeboten und die Zusammenarbeit, etwa mit kleinen Pfarren oder Klöstern, laufe gut.

Ein Rundruf bei den zuständigen Landesreferenten in Salzburg und der Steiermark ergibt ein ähnliches Bild. In Salzburg hat sich die Politik an die Erzdiözese gewandt und um Unterstützung gebeten. "Wir hoffen auf neue Quartiere", sagt Philipp Penetzdorfer, Sprecher der zuständigen Salzburger Landesrätin Martina Berthold, zur "Wiener Zeitung". Es würden jetzt schon laufend Quartiere angeboten; eine Wohnung der Pfarre Tamsweg, 12 Plätze in der Pfarre St. Veit, 40 in Mülln. Und auch in der Steiermark sei man in gutem und ertragreichem Kontakt mit kleinen Pfarren und Gemeinden, die bereitwillig Menschen aufnehmen.

Die Laien-Organisation "katholische Aktion" richtete nach dem geplatzten Asylgipfel am Mittwoch scharfe Worte an die Landeshauptleute: "Nur Nein zu sagen wird ja wohl nicht alles sein, was man von einem Politiker in diesem Verantwortungsrang erwarten darf", so Präsidentin Gerda Schaffelhofer. Sie wolle sich "sehr genau anschauen", was an Lösungsvorschlägen seitens der Länder kommt, nachdem sie Bezirksquoten ablehnen.

Es scheitert oftan der Größe

Scheitern würde die Unterbringung in Kirchen häufig an den hohen Mindeststandards, die kirchliche Gebäude im ländlichen Raum selten erfüllen, erklärt eine Sprecherin der Diözese St. Pölten. "Das Gebäude kann noch so groß sein, wenn man für den Weg zur Behörde 45 Minuten mit dem Zug braucht, wird es abgewiesen."

Seitens der Erzdiözese St. Pölten empfiehlt man der Politik zudem, dass die Behörden zu den Flüchtlingen kommen. "Fakt ist, wir können nicht alles abfangen, was die Länder derzeit versäumen." Seitens der Diözese heißt es außerdem, dass man nicht für irgendwelche "Quotensysteme" sei, "wir wollen nur, dass es endlich funktioniert".

Zur Unterbringung von Asylwerbern in Stiften und Klöstern sagt Ferdinand Kaineder, Sprecher der Ordensgemeinschaften Österreich: "Es wird immer wieder geschaut, ob irgendwo Gebäude leer stehen." Kaineder verweist darauf, dass kirchliche Gebäude nicht "immer leicht zu adaptieren sind, um eine menschenwürdige Unterkunft zu bieten".

Paul Wuthe, Medienreferent der Bischofskonferenz fügt hinzu, dass von den Behörden "die Präferenz bei Großquartieren" liege. Mehrere, kleine Räumlichkeiten sind für die zuständigen NGOs schwieriger zu betreuen, weil dadurch der administrative und finanzielle Aufwand steigt. Bei der letzten Bischofskonferenz wurde ein Abkommen getroffen, wonach die Asylthematik auf diözesaner Ebene koordiniert wird. Eine genaue Zahl, wie viele Flüchtlinge etwa in Klöstern, Stiften, Ordensgemeinschaften oder Pfarrgemeinden letztlich untergebracht sind, wird gerade errechnet.

Übrigens: Auch die Islamische Glaubensgemeinschaft bringt sich mit Essensausgaben und humanitären Sammelaktionen ein. Quartiere seien aber noch keine angeboten worden. "Viele Moscheen haben nicht die Infrastruktur dafür", sagt Sprecherin Carla Amina Baghajati.