Künftig sollen sich Migranten stärker in der Gewerkschaft engagieren.
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Wien. Zugang von Asylwerbern zum Arbeitsmarkt, Sprachförderung ohne Zwang, Vereinfachung bei der Einbürgerung: Die vom Bundesvorstand der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA-djp) im Sommer beschlossenen Forderungen sind ambitioniert. Nur müsse man die Positionen jetzt Funktionären und Betriebsräten näherbringen. "Hier bedarf es noch viel Aufklärungsarbeit", erzählt Martin Bolkovac, Politologe und Mitarbeiter der GPA-djp-Grundlagenabteilung.
In der nun erschienenen Broschüre "Migration und Integration im Blickfeld" hat die GPA-djp ihre Forderungen erklärt und den Hintergrund mitgeliefert: Wie sieht das Modell "Rot-Weiß-Rot-Karte" aus? Wie überlebt und arbeitet man ohne Papiere? Aber auch: Wo sind bei gelungener Migrationspolitik die Best-Practice-Modelle im Ausland? Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" fallen der GPA-djp-Bundesgeschäftsführerin Dwora Stein ad hoc zwei Staaten ein: Kanada und Israel. Es gehe aber nicht nur um den Umgang mit Einwanderung, meint Stein. "Wir leben in einer Welt, in der Mobilität gefordert wird, und die Leute sind mobil. Dem muss man Rechnung tragen."
Stein nimmt gern andere Blickwinkel ein, etwa bei der Definition von Migranten. "Ich bin mir gar nicht sicher, ob diese Definition wichtig ist. Sie besagt: Man hat Migrationshintergrund, wenn ein Elternteil im Ausland geboren wurde. Mein Vater wurde im ungarisch-rumänischen Grenzgebiet geboren. Das war 1908, und da hat die österreichisch-ungarische Monarchie noch existiert. So gesehen habe ich vielleicht doch keinen Migrationshintergrund."
Auf Basis dieser Definition hätten 45 Prozent der Wiener Migrationshintergrund. "Die Schlussfolgerung ist: Es sind sowieso alle Ausländer - oder es ist kein Thema. Beides ist falsch. Es geht darum, jenen zu helfen, die noch nicht ihren Platz gefunden haben." Diese Hilfe setzt mit mehreren Hebeln an. Da wäre einmal die Gruppe der Asylwerber. Die Anliegen jener Asylwerber, die zuletzt von Traiskirchen nach Wien marschiert sind, um dann im Votivpark zu campieren, hält Stein für "absolut berechtigt". "Es geht um nicht mehr oder weniger, als dass sie warme Kleidung und etwas zu essen haben und dass sie sich verständigen können, es also Dolmetscher gibt. Das muss die Gewerkschaft unterstützen."
"Asylregelung schadet allen"
Die GPA-djp tritt dafür ein, den Arbeitsmarkt für Asylwerber zu öffnen. Arbeitnehmern, die hier ihren Job bedroht sehen, nimmt Stein den Wind aus den Segeln: "Man muss sich in ihre Situation hineinversetzen. Sie sind Flüchtlinge, bevor nichts anderes festgestellt wurde. Sie sind hier zur Untätigkeit verurteilt, das verschärft ihre Situation noch. Wir wenden viel Geld auf für Asylwerber. Wenn sie die Möglichkeit haben, einen Teil ihres Lebensunterhalts selbst zu verdienen, ist das auch gut für die Steuerzahler."
Österreichische Arbeitnehmer müssten sich jedenfalls nicht vor möglicher Konkurrenz fürchten. "Wenn Asylwerber keinen legalen Zugang zu Beschäftigung finden, suchen sie einen illegalen. Damit sind sie dann ausgeliefert, sowohl hinsichtlich der Höhe der Entlohnung als auch der Arbeitsbedingungen. Damit ist Lohn- und Sozialdumping Tür und Tor geöffnet. Das schadet allen", sagt Stein.
Eine weitere Position der Bundesgeschäftsführerin lautet: "Arbeit vor Sprache". Die Hypothese dahinter: "Wenn ich im Arbeitsprozess drinnen bin, ist die Motivation, Deutsch zu lernen, höher, damit ich mich verständigen kann. Das heißt nicht, dass Deutsch nicht wichtig ist. Das Erlernen von Deutsch halten wir für zentral." Nur solle die neue Sprache am besten kostenlos und ohne Zwang vermittelt werden, und zwar am besten direkt am Arbeitsplatz.
Gutes Ergebnis im Handel
Migranten müssten am Arbeitsmarkt für ihre Rechte einstehen, sagt Stein. Zuwanderer könne man "sicher am leichtesten drücken". Was man daher in einer Niedriglohnbranche an gutem Abschluss zusammenbringe, nutze den Beschäftigten. Zuletzt konnte im Handel ein gutes Ergebnis erzielt werden. "Dort arbeiten viele Migranten, meist Frauen."
Um die Bedürfnisse der Migranten noch besser zu vertreten, sei aber Partizipation gefragt. Einerseits wollten aber Migranten "nicht in dieser Eigenschaft angesprochen werden", so Stein. Sie plädiert daher dafür, dass sich möglichst viele selbst in die Betriebsräte wählen lassen.
Noch ist es schwierig, Zuwanderer zur Mitgliedschaft in der Gewerkschaft zu bewegen, erzählt Bolkovac. 60 Prozent der migrantischen Arbeitnehmer verdienen monatlich weniger als 1400 Euro netto. Das sei auch eine Bildungsfrage. "Wenn man es nicht schafft, ein Bildungssystem zu schaffen, das ausgleicht, wird sich hier nichts verbessern." Vielfach wüssten diese Menschen nicht, was ein Sozialstaat ist, wie dieser funktioniert, was eine Gewerkschaft tut. "Da kann ich als Gewerkschafter vier Mal in den Betrieb kommen und um Mitglieder werben; der Angesprochene weiß gar nicht, wovon geredet wird."
Auf politischer Ebene würde sich die GPA-djp noch ein Integrationsministerium wünschen. Als Querschnittsmaterie wäre das Thema zwar besser aufgehoben, "aber dann fühlt sich niemand dafür verantwortlich", sagt Stein. Die Arbeit von Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz bewertet sie als grundsätzlich positiv, manchmal orte sie allerdings "einen Zungenschlag und Unterton, der gefährlich ist".
Bedenklich sei es, wenn eine kürzere Anwartschaft auf die Staatsbürgerschaft an Bedingungen wie ehrenamtliches Engagement oder das Zahlen von Steuern geknüpft werde. Viele Österreicher würden so wenig verdienen, dass sie nicht lohnsteuerpflichtig seien. "Warum muss man viel mehr leisten als jemand, der hier geboren wurde?"