)
Griechen wollen nicht mehr: Sie haben schon sechs Sparprogramme geschultert.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Athen. Er sei ein Euro-Schreck, gebe den sturen Verweigerer, lehne Sparvorgaben beharrlich ab. Kurz: Er sei mit seiner Blockadehaltung in der Schuldenkrise zu Europas Bösewicht geworden. Schlimmer noch: Antonis Samaras wiegele mit seinem unsäglichen Kreuzzug gegen Brüssel und die Rettungsmaßnahmen sogar seine Landsleute gegen die Europäische Union auf - alles nur zum Machterwerb. Die Vorwürfe gegen den griechischen Ministerpräsidenten sind noch gar nicht lange her. Denn nicht einmal zwei Jahre sind verstrichen, als er, damals noch Griechenlands konservativer Oppositionsführer, ins Fadenkreuz der Retter des pleitebedrohten Hellas geriet.
Seit Juni 2012 ist er Regierungschef. Kaum war Samaras an der Macht, wandelte er sich flugs vom latenten Nein-Sager zu einem praktizierenden Befürworter des rigorosen Sparkurses - sehr zur Freude von Griechenlands öffentlicher Geldgeber-Troika aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF). Die vergangenen beiden Sparpakete seit Ausbruch der Staatsschuldenkrise in Griechenland peitschte der Regierungschef höchstpersönlich durch das Athener Parlament - gegen den erbitterten Widerstand der Opposition und breiter Kreise der Bevölkerung. In den Augen Brüssels, Berlins und Frankfurts ist Samaras seither vor allem eines: ein Wendehals - im positiven Sinne.
Das könnte sich schon bald ändern. Denn Samaras scheint fest entschlossen zu sein, zum ersten Mal in seiner Amtszeit auf harten Konfrontationskurs mit der Troika zu gehen - diesmal zum Machterhalt.
"Uns erwartet die Hölle"
Knackpunkt ist ein vor allem aus Kreisen der EU und EZB plötzlich kolportierter Fehlbetrag von zwei Milliarden Euro im Athener Haushalt für das Jahr 2014. Dieser verhindert, dass das vereinbarte Ziel, erreicht wird, nämlich im kommenden Jahr einen sogenannten primären Haushaltsüberschuss in Höhe von 2,8 Milliarden Euro - ohne Berücksichtigung des Schuldendienstes - zu erwirtschaften. Griechenlands Geldgeber gehen Informationen zufolge von höheren Defiziten in den darbenden gesetzlichen Pensions- und Krankenkassen, niedrigeren Steuereinnahmen und geringeren Privatisierungserlösen aus. Nach Athener Ansicht seien dafür hingegen lediglich rund 500 Millionen Euro zusätzlich aufzubringen.
So ist ein erbitterter Streit zwischen Griechenland und seinen Geldgebern entbrannt. Bisher wird er zwar noch vornehmlich hinter den Kulissen geführt. Doch Athen sendet schon unmissverständliche Botschaften. Sogar Finanzminister Jannis Stournaras, bisher ein lupenreiner Verfechter der unpopulären Kreditauflagen und von seinen Kritikern hierzulande stets als unbarmherziger Statthalter der Troika in Athen gescholten, konnte sich einen Seitenhieb gegen die Geldgeber nicht verkneifen. "Die Regierung kann Meinungen nicht akzeptieren, die die geleisteten Bemühungen des griechischen Volkes und die Verbesserung aller ökonomischen Kennziffern unterschätzen", ätzte er. Zugleich prophezeite Stournaras: "Uns erwartet die Hölle."
Rotstift überall angesetzt
Dennoch: Das Motto in Athen lautet: "Kein neues Sparpaket". Das scheint verständlich. Es wäre bereits das siebte Sparpaket seit Anfang 2010, um der ausufernden Staatsschuldenkrise in Hellas Herr zu werden. Seit Krisenbeginn haben die Griechen fulminante 47,8 Milliarden Euro gespart, ein Viertel der jährlichen Wirtschaftsleistung - fürwahr eine Herkulesleistung.
Fortsetzung folgt: Für das Jahr 2014 sind bereits weitere Einsparungen in Höhe von 4,2 Milliarden Euro beschlossen - ohne das von der Troika kolportierte Haushaltsloch von zwei Milliarden Euro wohlgemerkt. Athen hat überall den Rotstift angesetzt: Die Staatsausgaben wurden von 125 Milliarden Euro im Jahr 2009 auf 106 Milliarden Euro im vorigen Jahr (2012) gedrückt - Tendenz weiter stark sinkend.
Unverhohlen geben die Athener Regierenden jedenfalls die Marschrichtung vor: "Neue Sparmaßnahmen", namentlich eine erneute Senkung von Löhnen, Gehältern und Pensionen oder erneute Steuer- und Abgabeerhöhungen, die nicht bereits in früheren Sparpaketen beschlossen worden sind und ohnehin ab Anfang 2014 in Kraft treten würden, seien mit der Regierung Samaras nicht machbar, heißt es. Andernfalls drohten im rezessionsgeplagten Griechenland unweigerlich soziale Unruhen.
Die Beobachter sind sich einig: Samaras wolle zwar keine Neuwahlen, bliebe der Druck der Troika aber zu groß, seien für ihn Neuwahlen durchaus kein Tabu - wenn auch als Ultima Ratio. Derweil zeigt sich Samaras unverblümt unnachgiebig: "Wir lassen uns weder erpressen noch erpressen wir", zitierte ihn die Zeitung "Ethnos".
Der betreffende Disput ist allerdings nicht die einzige Baustelle in den ins Stocken geratenen Verhandlungen zwischen Athen und der Troika. Diese fordert etwa den "sofortigen Tod" des maroden Nickelherstellers Larko, Athen ist strikt dagegen - wegen des Verlusts von eintausend Jobs.
Berlin sorgt für Frust
Auch die Frage, ob und insbesondere wie die unverändert gewaltige Staatsschuld von 321 Milliarden Euro (Stand: per Ende Juni 2013) zu reduzieren ist, bleibt offen. Gibt es in der Causa Hellas einen neuerlichen Schuldenschnitt - der diesmal Griechenlands öffentliche Geldgeber träfe? Wird ein Maßnahmenbündel aus (erneuter) Senkung der Zinsen und Streckung der Laufzeiten der gewährten Troika-Kredite geschnürt? Oder erfolgt eine Kombination aus beiden Elementen? Vor allem Berlin lässt die Griechen zappeln - und sorgt damit für Frust in Athen.