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Athen muss Unmögliches schaffen

Von Hermann Sileitsch

Wirtschaft

Regierung soll Finanzen sanieren, ohne das Wachstum abzuwürgen. | Griechenlands schwache Industrie fällt im Wettbewerb weiter zurück. | Athen/Wien. Kann Griechenland die harte Sanierung, die dem hochverschuldeten Land von Währungsfonds und EU abverlangt wird, überhaupt schaffen? Es gibt Länder, die eine Budgetsanierung ähnlichen Ausmaßes vollbracht haben: Schweden hat in den 1990ern ein Budgetdefizit von mehr als zwölf Prozent binnen weniger Jahre massiv zurückgefahren. Und auch in Kanada haben - etwa zur selben Zeit - die Liberalen mit rigider Budgetsanierung die Basis für spätere Milliardenüberschüsse geschaffen.


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Die Umstände sind aber kaum vergleichbar: Beide Länder sanierten ihre Finanzen zu einem Zeitpunkt, wo die Wachstumsaussichten für die Weltwirtschaft bedeutend rosiger waren als jetzt. Der Regierung in Athen soll nun die Quadratur des Kreises gelingen: Sie muss das enorme Haushaltsdefizit und die explodierende Staatsverschuldung eindämmen, zugleich aber die Wirtschaft aus einer tiefen Rezession herausholen.

Und obendrein soll die Wirtschaft einen massiven Strukturwandel verkraften, um international wettbewerbsfähig zu werden.

Hoffen auf die Urlauber

Bisher wurde die griechische Wirtschaft hauptsächlich vom Tourismus und dem Konsum getragen. Hinter beiden Sektoren steht ein großes Fragezeichen: Sollten die Streiks sich weiter fortsetzen oder sogar verstärken, könnten viele Urlauber einen Aufenthalt an der Ägäis noch einmal überdenken.

Der große Kahlschlag bei den Einkommen und Pensionen, der großen Teilen der Bevölkerung abgepresst wird, sowie die massiven Steuererhöhungen senken wiederum die Kaufkraft, was den Konsum belastet. Deutschland könne davon ein Lied singen, warnt Gustav Horn vom gewerkschaftsnahen IMK-Institut in Düsseldorf: "Die Erhöhung um drei Punkte auf 19 Prozent hat 2007 den Konsum zum Einsturz gebracht."

Die griechische Wirtschaft sollte deshalb in einem langwierigen Strukturwandel auf festere Beine gestellt werden. Die (derzeit weder preislich noch qualitativ wettbewerbsfähige) Industrie muss dafür aufgepäppelt werden. Momentan bleibt sie aber das große Sorgenkind - die Probleme werden größer statt kleiner: Während die Geschäfte in der Euro-Zone im April so kräftig anzogen wie seit fast vier Jahren nicht, fällt Hellas Industrie weiter zurück. "Die Wirtschaft ist weiter auf Talfahrt, und die Exporte sinken immer schneller", sagte Markit-Chefvolkswirt Chris Williamson. Die Neuaufträge sanken den achten Monat in Folge.

Realistische Erwartung

Zuversichtlich stimmt immerhin, dass der Währungsfonds und die EU von realistisch erscheinenden Wachstumsprognosen ausgehen: Sie erwarten, dass Griechenlands Wirtschaftsleistung heuer noch um 4 Prozent und 2011 um 2,6 Prozent schrumpfen wird (siehe Grafik).

"Diese Anpassungsrezession ist unvermeidlich", meint Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Der Einbruch bringt ebenfalls massive Probleme: Ein sinkendes BIP bedeutet in der Regel nicht nur geringere Steuereinnahmen und höhere Staatsausgaben, sondern überdies einen unangenehmen statistischen Effekt: Die Schuldenquote, das heißt die Gesamtverschuldung gemessen an der Wirtschaftsleistung, steigt weiter an.

Der Währungsfonds hat offenbar darauf bestanden, dass die griechische Regierung auch Maßnahmen umsetzt, die die Wettbewerbsfähigkeit direkt steigern sollen: Die Rede ist von einem gelockerten Kündigungsschutz und flexibleren Arbeitsmarktregeln - so sollen etwa bisher geschützte Gewerbe geöffnet werden müssen.

Viel wird auch davon abhängen, ob es der griechischen Führung gelingt, die grassierende Schwarzarbeit und Korruption einzudämmen. Die Abgabenquote liegt deutlich unter dem EU-Schnitt - nicht wegen niedriger Sätze, sondern aufgrund der katastrophalen Steuermoral.

Die Sparpläne im Detail

Das Elf-Millionen-Einwohner-Land steht vor herkuleischen Herausforderungen: Es muss binnen drei Jahren ganze 30 Milliarden Euro einsparen, um das Defizit von derzeit 13,6 Prozent auf unter 3 Prozent zu drücken.

Die Regierung wird dabei vor allem beim öffentlichen Dienst ansetzen, erläuterte Finanzminister Giorgos Papakonstantinou in Brüssel. Griechenland hat sich über Jahre hinweg einen hypertrophen Verwaltungsapparat angezüchtet, der jetzt radikal zusammengestutzt werden muss: Die Ausgaben der öffentlichen Hand flossen laut Internationalem Währungsfonds zu 75 Prozent in Löhne und soziale Transferleistungen - die Zinszahlungen für den Schuldendienst sind dabei nicht eingerechnet.

Das Leben wird teurer

Die Bevölkerung wird künftig tiefer in die Tasche greifen müssen: Athen wird gleich eine ganze Reihe von Massensteuern empfindlich anheben.

* Die Mehrwertsteuer wird von derzeit 21 auf 23 Prozent angehoben.

* Die Steuern auf Mineralöl, Alkohol und Tabak werden um 10 Prozent angehoben.

* Für Glücksspiel und Luxusgüter müssen die Griechen ebenfalls höhere Abgaben leisten.

* Unternehmen mit hohen Gewinnen wird eine Einmalsteuer abverlangt.

* Überdies ist von der Einführung einer Vermögenssteuer die Rede.

Athen spart rigoros ein

Die Sparpläne der Regierung betreffen vor allem den öffentlichen Sektor.

* Beamte in höheren Einkommensgruppen fallen um das 13. und 14. Gehalt zur Gänze um, bei mittleren Einkommen wird stattdessen ein Einmal-Pauschalbetrag von 1000 Euro gezahlt.

* Gehaltszulagen im öffentlichen Dienst werden um 8 Prozent gekürzt.

* Bis 2014 gelten ein Einstellungsstopp und Nulllohnrunden.

Umbau der Pensionen

Massive Änderung kommen auf das griechische Pensionssystem zu:

* Das durchschnittliche Antrittsalter soll von 53 auf über 60 Jahre steigen.

* Hohe Beamtenpensionen werden gekürzt, bis 2014 wird es keine Pensionserhöhungen geben.

* Die für einen vollen Pensionsbezug nötige Lebensarbeitszeit wird schrittweise von 37 auf 40 Jahre angehoben.

* Eine Frühpensionierung ist künftig überhaupt erst ab 60 Jahren möglich.

Kahlschlag bei Armee

Auch die überdimensionierte Armee wird sich Griechenland künftig nicht mehr leisten können. Der Verteidigungsetat lag 2009 noch bei rund 6 Prozent des BIP und machte 14 Milliarden Euro pro Jahr aus. Dieser (nicht zuletzt wegen des Dauerkonfliktes mit der Türkei) weit über dem EU-Schnitt liegende Wert wird nun deutlich zurechtgestutzt.