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Athen spannt Eurogruppe auf die Folter

Von Michael Schmölzer

Politik

Ansuchen um Verlängerung des Kreditprogramms wurde - entgegen den Ankündigungen - vorerst nicht gestellt.


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Athen/Brüssel. Die Zeit drängt und immer noch haben sich Athen und die Eurogruppe nicht auf eine Verhandlungsgrundlage einigen können. Gestern hätte ein Brief einlangen sollen, in dem Athen um die Fortführung des Kreditprogramms ansucht. Allein, das Schreiben kam nicht. Der Ärger über die Griechen, die tief in die Trickkiste greifen und Haken schlagen wie ein gejagter Hase, nimmt unter den EU-Granden zu.

Doch steht Athen mit dem Rücken zur Wand. Die EZB hat am Mittwoch Bedenken geäußert, ob die griechischen Geldhäuser überhaupt weitere Nothilfen bekommen sollen. Nachdem die Griechen ihre Ersparnisse massenhaft abziehen, steigt die Gefahr eines Banken-Kollapses. Steuer-Ausfälle und anstehende Rückzahlungen machen Athen ebenfalls zu schaffen. Am 28. Februar läuft das Hilfsprogramm aus, schon im März könnte Hellas bankrott sein.

Sparvorschriften

Die Eurogruppe macht es der Regierung unter Alexis Tsipras jedenfalls nicht leicht: Mit einer schriftlich vorgelegten Bitte um mehr Geld gibt man sich hier nicht zufrieden. Es soll vielmehr ausgeschlossen werden, dass Athen seine Ausgaben wieder erhöht - genau das hat Syriza ihren Wählern aber versprochen. Nach den Vorstellungen der Gläubiger sollen angefangene Reformen in Griechenland - darunter auch Privatisierungen - nur in Absprache mit den Geldgebern rückgängig gemacht werden. Wenn Sparmaßnahmen wegfallen, sollen diese durch andere ersetzt werden müssen. Die Eurogruppe will die Garantie, dass Griechenland seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommt. Das aktuelle Hilfsprogramm inklusive der Auflagen muss zum Abschluss gebracht werden, Griechenland weiter mit der Troika, die jetzt "die Institutionen" heißt, zusammenarbeiten.

Diese Forderungen sind für Syriza ein Schlag ins Gesicht, sie kommen einer Knebelung gleich. Die Eurogruppe hat nach eigenem Bekunden zwar kein Problem damit, dass die neue griechische Regierung ihr Geld anders ausgeben will als die alte. Aus der Sicht Athens macht das keinen Unterschied - hier geht es allein um mehr Geld. Das zählt. Würde Tsipras auf die Bedingungen der Eurogruppe eingehen - seine Tage an der Spitze wären vorbei.

Den Griechen hilft einzig die Angst, die man in der EU vor einem "Grexit", also einem Austritt der Hellenen aus der Eurozone, hat. Der Euro würde den "Grexit" zwar überleben, die Kosten wären aber hoch - allein Deutschland würde Milliarden verlieren. Der Imageschaden für das Projekt Euro, mit allen direkten und indirekten Folgen, würde wohl noch viel schwerer wiegen. Doch sitzt Athen am kürzeren Hebel. Die griechische Regierung kann den Rest der Eurozone nicht erpressen. Käme es bis Ende Februar zu keiner Lösung, dann würde das ramponierte Land in eine noch tiefere Krise stürzen. Griechenland ist zwar arm - die Zahl derer, die jetzt in der Kälte auf der Straße sitzen, ist hoch - hat aber immer noch einiges zu verlieren.

Deshalb werden Tsipras und sein Finanzminister Yanis Varoufakis das Land nicht wie befürchtet an die Wand fahren. Die hellenische Verhandler setzen auf eine Art Zermürbungstaktik. Konkrete Vorschläge, mit denen Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem arbeiten könnte, kommen nicht. Der Ball wird im Spiel gehalten, indem Varoufakis seine Gegenüber erst vor den Kopf stößt, um dann umgehend Verhandlungsbereitschaft zu signalisieren.

In der Eurogruppe wartet man zunehmend ungeduldig darauf, dass Athen endlich den Antrag auf Verlängerung des Hilfsprogramms stellt. Heute soll es soweit sein, doch dass die geforderten Auflagen akzeptiert werden, ist unwahrscheinlich.

Die Chancen, dass Griechenland und Eurogruppe doch noch zu einer Einigung kommen, stehen trotzdem nicht so schlecht. Zwar gibt es die "Falken", den deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble und Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem. Für beide ist Varoufakis bekanntlich ein rotes Tuch. Abseits davon gibt es Entwicklungen, die Athen durchaus Hoffnung machen. So dürfte Griechenland nicht mehr verpflichtet werden, 4,5 Prozent der Wirtschaftsleistung als Haushaltsüberschuss zu schaffen, bevor die Zinsen auf die Kredite fällig werden.

Goodwill zeigte indes die Europäische Zentralbank (EZB). Sie erhöhte einem Insider zufolge die Notfall-Hilfen der Athener Notenbank an ihre heimischen Geldhäuser um 3,3 Milliarden Euro auf 68,3 Milliarden Euro.

Juncker übt Selbstkritik

Um eine Einigung ist vor allem die EU-Kommission bemüht. So hat nach griechischer Darstellung Kommissar Pierre Moscovici vor dem am Montag so spektakulär gescheiterten Treffen der Euro-Gruppe ein Kompromisspapier vorgelegt. Knapp vor dem Gipfel soll Eurogruppen-Chef Dijsselbloem das Papier kassiert. Jetzt gibt es Hinweise, dass die Vorschläge nicht von Moscovici, sondern von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker stammen. In der Umgebung von Dijsselbloem hieß es angeblich, die Kommission habe versucht, an der Eurogruppe vorbei mit Athen zu verhandeln.

Unverhohlen kritisiert hat Juncker am Mittwoch die Gläubiger-Troika: "Man hat wirklich gegen die Würde der Völker verstoßen, gerade in Griechenland." Da er zu der Zeit Chef der Eurogruppe gewesen sei, müsse er sehr selbstkritisch sein. Man müsse aus der Geschichte Lehren ziehen, sagte Juncker. Der Luxemburger deutete zudem an, für seine Behörde mehr Mitspracherechte einzufordern. "Es müssen Gespräche auf Augenhöhe geführt werden. Minister reden mit Ministern und nicht mit hohen Beamten."

Verhandlungsdokumente im Griechenland-Streit (PDF)