Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Angesichts der horrenden Staatsverschuldung und der nun drohenden Steuerbelastungen würde so mancher Grieche wohl gerne mit seinen antiken Landsleuten tauschen; zumindest mit den Bürgern im alten Athen - diese mussten nämlich lange Zeit überhaupt keine Steuern zahlen.
Möglich machte dies das System der sogenannten Leiturgien (das Wort Liturgie ist davon abgeleitet), eine Art zweckbezogene Reichensteuer. Dabei wurden die reichsten Athener dazu verpflichtet, eine bestimmte öffentliche Dienstleistung zu finanzieren. Das konnte die Ausrichtung eines der großen Stadtfeste sein, die Instandhaltung der Stadtmauern oder auch die Ausrüstung eines Kriegsschiffes.
Natürlich versuchten die betuchten Athener, diesen gewaltigen Belastungen zu entgehen und ihr Vermögen zu verschleiern. Doch der Staat kannte keine Gnade und hielt strenge Strafen für Steuerflüchtlinge bereit. Und falls ein zu einer Liturgie verpflichteter Athener der Ansicht war, dass ein Anderer mehr Geld als er selbst besitze und daher an seiner Stelle zur Kasse gebeten werden sollte, gab es noch den sogenannten Vermögenstausch: dabei tauschten die beiden Kontrahenten ihren Besitz, was mitunter zu beträchtlichen Verlusten führen konnte.
Doch nicht nur diese Reichensteuer ließ die Staatskasse klingeln, auch der Reichtum an Rohstoffen bescherte den Athenern satte Gewinne. Schließlich lagen auf der Halbinsel Attika, im Gebiet von Laureion, ergiebige Silberminen, die vom Staat ausgebeutet wurden. Dabei wurden Pächtern Lizenzen zum Silberabbau erteilt, die dafür eine bestimmte Summe entrichten mussten. Die Einnahmen aus dem Silberabbau waren so beträchtlich, dass der Ertrag unter den Bürgern verteilt werden konnte. Außer es standen besondere staatliche Ausgaben an - etwa die Finanzierung eines Kriegszuges - , dann wurde auf Bonuszahlungen verzichtet.
Im 5. Jh. v. Chr. erschlossen die Athener noch eine weitere Geldquelle. Sie gründeten den Delisch-Attischen Seebund, ein Verteidigungsbündnis gegen den Erzfeind aus Persien, dem die große Mehrzahl der griechischen Ägäisstaaten angehörte. Im Rahmen dieses Bündnisses verpflichteten sich die Athener, ihren Bündnispartnern militärischen Schutz zu gewähren. Im Gegenzug hatten diese beträchtliche Abgaben an Athen zu entrichten. Diese Tributzahlungen wurden einmal im Jahr im Rahmen einer feierlichen Zeremonie übergeben - und wanderten sogleich in den Staatsschatz.
Mit ihren Budgetüberschüssen konnten die Athener ihre Stadt prächtig ausbauen und verpflichteten dazu die renommiertesten Künstler der damaligen Zeit, allen voran den begnadeten Bildhauer Phidias. Unter seiner Leitung entstanden auf der Akropolis Kultbauten für die Stadtgöttin Athena, die noch heute von Besuchern aus aller Welt bewundert werden.
Mario Rausch,geboren 1970, studierte Klassische Archäologie und Alte Geschichte und lebt als Publizist in Klagenfurt und Wien.