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"Atom-Risiko versichern wir nicht"

Von Karl Leban

Wirtschaft
Konstantin Klien: "Versichert haben wir in Japan nur eine Handvoll Kleinst-Risiken." Foto: Robert Newald

Akquisitionen wieder sinnvoll, wenn die neuen Kapitalregeln fix sind. | Konsolidierungswelle in Branche zu erwarten. | "Wiener Zeitung": Inwieweit trifft die Katastrophe in Japan die Uniqa-Gruppe?


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Konstantin Klien: Das ist eine humanitäre Katastrophe, deren Ausmaße für uns alle schwer fassbar sind. Wirtschaftlich trifft das die Uniqa-Gruppe praktisch nicht. Unsere Veranlagung in japanischen Aktien und Anleihen liegt deutlich unter 0,05 Prozent unserer Kapitalanlagen. Versichert haben wir in Japan nur eine Handvoll Kleinst-Risiken.

Was konkret?

Wohnungen von Botschaftsangehörigen und über die Kunstversicherung ein paar Leihgaben von europäischen Partner-Museen. In beiden Fällen gibt es keine Informationen zu Schäden. Auch wenn sich da etwas ändern sollte, geht es um keine signifikanten Größenordnungen. Atom-Risiko versichern wir grundsätzlich nicht.

Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs müssen Versicherungsgesellschaften Frauen und Männern trotz unterschiedlicher Risikofaktoren künftig gleiche Prämien verrechnen. Wie sehen Sie das?

Ich frage mich, warum von einer versicherungsmathematisch richtigen, individuellen Kalkulation für den Kunden abgegangen wird. Das bringt auch den Kundinnen Nachteile. Zu viele politische Vorgaben engen die Spielräume der Versicherungswirtschaft ein. Am Ende des Tages fragt man sich: Was kommt als Nächstes? Sind wir dann irgendwann bei der staatlich vorgeschriebenen Prämie - oder Preisen überhaupt - so wie früher in den Ostblockländern?

Wird es in der Branche wegen der verpflichtenden Unisex-Polizzen zu deutlich höheren Preisen kommen? Zuletzt war das mehrfach zu hören.

Ich glaube, dass es schon aufgrund der Wettbewerbssituation, vor allem in den reifen Märkten, keine exzessiven Änderungen bei den Preisen geben wird.

Wann wird die Uniqa auf Unisex-Tarife umstellen? Die Frist läuft bis kurz vor Weihnachten 2012.

Da will ich mich nicht festlegen. Wir werden jetzt alles genau prüfen.

Ihr Hauptaktionär Raiffeisen hat kürzlich in Polen den Kauf der Polbank fixiert. Denkt man jetzt nach der Krise auch bei Uniqa wieder an Zukäufe?

Es ist jetzt einmal wichtig, dass man die definitiven Formeln für die neuen Eigenkapitalvorschriften Solvency II zur Verfügung hat. Erwartet wird das im zweiten Quartal. Dann wird der Produktmix von möglichen Akquisitionskandidaten entscheidend sein, wie viel Eigenkapital das benötigt. Und dann wird man wissen, wie viel Eigenkapital man aufgrund der eigenen Veranlagung frei hat. Wenn das alles definitiv da ist, können mögliche Akquisitionen korrekt bewertet werden.

Warum waren Zukäufe in der jüngeren Vergangenheit de facto überhaupt kein Thema?

Die Branche war in den letzten drei Jahren sehr gut beraten, auf organisches Wachstum zu setzen. Wer organisatorisch gut strukturiert aufgetreten ist, hat Marktanteile gewonnen, auch ohne Akquisitionen. Die Kaufpreise in den letzten Jahren vor der Krise waren doch sehr ambitiös - um nicht zu sagen überteuert.

Mittlerweile sind sie es aber längst nicht mehr.

Wie gesagt: Wenn die Solvency-II-Regeln klar feststehen, werden mögliche Zukäufe wieder ein Thema. Erst dann können auch die ganz großen internationalen Player entscheiden, in welcher Region sie investieren und in welcher sie unter Umständen deinvestieren werden. Deshalb werden Kandidaten auf den Markt kommen, an die man heute noch gar nicht denkt. Das Ende der Realwirtschaftskrise und die neuen Eigenkapitalvorschriften werden nicht nur Kaufimpulse zur Folge haben, sondern auch Verkaufsimpulse. Ich erwarte da viel mehr Bewegung als in den vergangenen Jahren.

Sie sind seit 1. Jänner 2002 Uniqa-Chef. Mitte 2011 - Sie sind dann 60 - gehen Sie. Wie fällt im Rückblick Ihre Bilanz aus?

Ich glaube, dass wir die Internationalisierung der Uniqa-Gruppe gut entwickelt haben. Wir sind jetzt in 21 west- und osteuropäischen Ländern vertreten. Der internationale Anteil am Gesamtgeschäft ist von fünf auf fast 40 Prozent gestiegen. Das Prämienvolumen konnte von 2,2 auf 6,2 Milliarden Euro nahezu verdreifacht werden.

Außerdem haben wir mit relativ wenig externem Eigenkapital - das ist ein wesentlicher Unterschied zur Wiener Städtischen - unsere Expansion finanziert. Das buchhalterische Eigenkapital ist von 600 Millionen auf 1,6 Milliarden Euro angestiegen. Natürlich sind wir mit den vielen Märkten und neuen Gesellschaften, die dazugekommen sind, deutlich größer geworden. Gestartet sind wir mit 7000 Mitarbeitern, heute haben wir deutlich mehr als 20.000. Ich glaube auch, dass wir die Krise relativ gut gemeistert haben. Das zeigt das abgelaufene Jahr, in dem wir den Gewinn ohne außerordentliche Erträge deutlich steigern konnten.

Wenn Sie das Rad der Zeit zurückdrehen könnten: Hätten Sie da oder dort etwas anders gemacht?

Den Vertrieb über die Bankenschiene (Raiffeisen, Anm.) hätten wir in Osteuropa vielleicht noch früher ausbauen können. Echt damit begonnen haben wir ja erst 2004/2005. Hier ist sicher viel Prämienvolumen auch international an Wettbewerber gegangen, weil wir erst damit beschäftigt waren, unser Netz aufzubauen.

Schlussfrage: Wie sehen Ihre persönlichen Zukunftspläne aus?

Bis ich Mitte des Jahres meine Aufgaben als Generaldirektor der Uniqa-Gruppe - nach 20 Jahren als Vorstandschef zuerst bei AXA in Österreich und dann bei Uniqa - an meinen Nachfolger Andreas Brandstetter übergeben werde, bin ich voll und ganz auf Uniqa konzentriert. Das entspricht meinem Selbstverständnis.

Konstantin Klien, geboren am 26. April 1951, ist seit 33 Jahren in der Versicherungsbranche tätig. Begonnen hat der promovierte Wirtschaftswissenschafter bei der Nordstern. Klien ist Vater eines Sohnes und begeisterter Kunstsammler.