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Am Fuße des Prager Hradschin verkündete US-Präsident Barack Obama im April eine Botschaft, die aus Washington lange niemand mehr gehört hat: Die Zeit des Kalten Krieges habe ein gefährliches Erbe hinterlassen, die zahllosen nuklearen Sprengköpfe müssten reduziert und Atomtests gestoppt werden. Als "einzige Atommacht, die jemals Atomwaffen eingesetzt hat", hätten die USA "die moralische Verpflichtung zum Handeln". Tosender Applaus war Obama, der damals von künftigen Friedensnobelpreis-Würden nichts ahnen konnte, sicher. | Kritiker schüttelten freilich den Kopf, sprachen von weltfremden Ideen, auch Moskau gab sich skeptisch. Der russische Präsident Dmitri Medwedew wollte abwarten, ob es dem gefeierten Mann im Weißen Haus mit seinen Ankündigungen wirklich ernst ist.
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Das Weiße Haus hat es in der Folge aber verstanden, die Spannungen, die auf militärischer Ebene bestanden, mit einer klugen Deeskalations-Strategie abzubauen. Im September verabschiedete man sich von dem Plan, in Osteuropa einen US-Raketenschild zu installieren. Damit sollten Raketen aus dem Iran abgefangen werden, doch Russland sah sich massiv bedroht und ging auf Konfrontationskurs. Mit dem Fallenlassen des Bush-Projekts, das einen Rückgriff auf die utopisch-abstruse "Star-Wars"-Idee Ronald Reagans darstellte, war ein großer Stein auf dem Weg gemeinsamer Abrüstung beiseite geschafft.
Jetzt haben sich Obama und Medwedew auf eine massive Reduktion ihrer Atomwaffen-Arsenale geeinigt. Das Start-1-Abkommen, das von George Bush und Michail Gorbatschow 1991 unterzeichnet worden war, ist am 5. Dezember abgelaufen. Die wesentlichsten Fragen eines Nachfolgeabkommens sind geklärt. Der Start-1-Vertrag begrenzte die Zahl der strategischen Atomwaffen auf jeweils 6000, der neue Vertrag - an den Details wird gefeilt - sieht vor, dass in den nächsten sieben Jahren die Zahl der Atomsprengköpfe auf jeweils 1500 bis 1675 reduziert wird. Das Abkommen wird noch dieses Jahr, spätestens aber zu Beginn des nächsten unterzeichnet: Ein großer Fortschritt auf dem Weg, das vernichtende Erbe des Kalten Krieges loszuwerden.
Auch wenn sich Barack Obama, der den Friedensnobelpreis vor allem als Anleitung für künftiges Handeln erhalten hat, intensiv um die internationale Abrüstung bemüht: Ohne Dmitri Medwedew wären die Verhandlungen mit Sicherheit nicht so schnell verlaufen. Der russische Präsident lässt die Muskeln weit weniger spielen als sein Amtsvorgänger Wladimir Putin, der sich nach den demütigenden Jelzin-Jahren dazu auserkoren sah, Russland zu neuer Stärke und zu neuem Selbstbewusstsein zu verhelfen. Heute jedenfalls ist klar: Medwedew hat es, als er sich nach Obamas Prager Rede ebenfalls für Abrüstung aussprach, ebenfalls ernst gemeint.