Noch nie waren die Vorzeichen besser dafür, dass der Streit über das nukleare Programm des Iran beendet wird.
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Wien. "Schön langsam geht der seit zehn Jahren andauernde Konflikt rund um die iranische Urananreicherung schon allen auf die Nerven: den Medien, dem Westen und dem Iran selbst", sagt ein europäischer Diplomat im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" kurz vor der am heutigen Dienstag beginnenden neuerlichen Runde in Wien. Doch diesmal, so heißt es, sollen die Verhandlungen entscheidend sein. "Nie waren die Chancen größer und die Vorzeichen besser als jetzt, endlich einen Schlussstrich zu ziehen und das Verhältnis wieder zu normalisieren. Daher hoffe ich, dass diese Gelegenheit genutzt wird."
EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und ihr Team werden gemeinsam mit der iranischen Delegation an den Formulierungen arbeiten, um den Konflikt zu beenden. Konkret geht es um Garantien seitens der iranischen Führung, dass das Nuklearprogramm keine militärische Komponente hat. Im Gegenzug sollen die Wirtschaftssanktionen gegen Teheran gelockert werden.
An einer Lösung interessiert ist vor allem die iranische Führung rund um den als moderat geltenden Präsidenten Hassan Rohani und seinen Chefverhandler und Außenminister Mohammad Javad Zarif. Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Konflikts und der westlichen Wirtschaftssanktionen haben dem schiitischen Gottesstaat schwer zugesetzt.
Teheran beharrt auf Kernkraft
Dennoch beharrt Teheran auf seinem Recht auf Kernkraft und Atomforschung. Der Iran habe kein geheimes Atomwaffenprogramm, werde aber auch bei Ausübung seines Atomprogramms auf keine Kompromisse eingehen. "Ich sage es der Welt noch ein weiteres Mal. Unser gesamtes Atomprogramm ist friedlich", stellte Rohani in den vergangenen Tagen erneut klar.
Auf sein friedliches und ziviles Atomprogramm werde das Land nicht verzichten. "Wir werden keine wissenschaftliche Apartheid gegen uns zulassen", so der Präsident weiter.
Dennoch hoffen die Perser, bei dem verlängerten Treffen in Wien (es dauert vier statt üblicherweise zwei Tage) in dieser Woche mit den fünf UNO-Vetomächten sowie Deutschland den Entwurf für das finale Abkommen im Atomstreit vorzubereiten zu können. Letzteres soll Ende Juli voraussichtlich von den Außenministern der sieben Staaten unterschrieben werden.
Einer der umkämpften Punkte hierbei ist die umstrittene Anlage in Arak (siehe Grafik). Nach Angaben vom iranischen Atomchef Ali Akbar Salehi will man Teile des Schwerwasserreaktors umbauen. Man wolle somit Zweifel bezüglich der Anlage ausräumen, so Salehi gegenüber iranischen Medien. Da nach einer Inbetriebnahme des Reaktors waffenfähiges Plutonium anfallen würde, fordert der Westen und insbesondere Washington die Schließung des Reaktors oder den Umbau zu einem Leichtwasserreaktor.
Einigung wahrscheinlich
Außerdem verspricht Teheran, frühere Erklärungen zu zusätzlichen Urananreicherungsanlagen "klarzustellen". Der Iran hatte den Bau einer Anreicherungsanlage in Fordo lange Zeit verschwiegen und ihre Existenz erst Ende 2009 öffentlich eingeräumt.
Eine Einigung auf einen Entwurf in dieser Woche ist auch deswegen wahrscheinlicher als früher, weil die internationale Atomenergiebehörde (IAEO) dem Iran seit dem Zwischenabkommen vom November mehrmals bescheinigt hat, sich an die Vereinbarungen gehalten zu haben. Auch die zusätzliche Zusammenarbeit zwischen dem Iran und der UN-Behörde laufe gut, hieß es weiter.
In dem von IAEO-Chef Yukiya Amano und Salehi unterzeichneten Dokument heißt es, beide Seiten hätten vereinbart, "ihre Zusammenarbeit und den Dialog zu stärken mit dem Ziel, die ausschließlich friedliche Natur des iranischen Atomprogramms sicherzustellen". Im Rahmen dieser Zusammenarbeit "wird der Iran der IAEO - in Hinblick auf die Umsetzung von Maßnahmen zur Schaffung von Transparenz - zeitgerecht Informationen über seine nuklearen Einrichtungen liefern". Die entsprechenden Aktivitäten sollten nun Schritt für Schritt erfolgen.
Zutritt zur Uranmine Gachin und zur Schwerwasserproduktionsanlage in Arak gab es auch schon. Dies war eine der Grundforderungen der IAEO gewesen. Schweres Wasser wird in Reaktoren verwendet, die zur Herstellung von Plutonium dienen, das wie hochangereichertes Uran 235 zum Bau einer Atombombe verwendet werden kann.
Nicht explizit erwähnt ist die Möglichkeit eines Besuchs der IAEO-Inspektoren in der Militäranlage Parchin. Dort, vermuten Experten, könnten Versuche in Zusammenhang mit dem Bau von Atombomben stattgefunden haben. Der Iran verweigert bisher Inspektionen in Parchin und betont, diese könnten erst erfolgen, wenn das Recht auf sein Atomprogramm anerkannt sei und die Sanktionen aufgehoben würden.
Auch über sein Waffenprogramm will die Islamische Republik nicht verhandeln. Denn "das stünde nicht auf der Agenda der Atomgespräche". Einige US-Politiker verlangen aber, dass Letzteres sehr genau thematisiert wird.