Ex-IAEO-Chef Hans Blix hofft im "Wiener Zeitung"-Interview auf eine baldige Lösung des Atomstreits mit dem Iran.
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Wien. Die fünfte Runde der "Wiener Atomgespräche" zwischen dem Westen und dem Iran wird vom 16. bis 20. Juni stattfinden. Nachdem sich die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und der iranische Chefverhandler und Außenminister Mohammad Javad Zarif in dieser Woche in Istanbul getroffen und die Verhandlungsperspektiven ausgelotet hatten, empfahlen sie nach Festlegung des Termins weitere baldige Treffen auf Expertenebene. Alle hoffen bis zum Sommer auf eine endgültige Lösung im jahrelangen Streit rund um die iranische Urananreicherung.
Die Verhandlungen bauen auf einem Ende November geschlossenen Interimsabkommen auf. Der Iran verpflichtete sich darin, im Gegenzug für die Lockerung einiger schmerzhafter westlicher Wirtschaftssanktionen, Teile der Forschung und Entwicklung seines Nuklearprogramms auf Eis zu legen, seine Urananreicherung auf fünf Prozent zu drosseln und vermehrte Kontrollen der Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) zuzulassen. Anlässlich seines Wienaufenthaltes befragte die "Wiener Zeitung" den ehemaligen IAEO-Chef Hans Blix zum Iran und zu seiner Haltung im Nuklearkonflikt.
"Wiener Zeitung": Sie waren vor zwei Wochen im Iran. Was ist Ihr Eindruck?
Hans Blix: Teheran ist eine grüne und saubere Stadt. Viel sauberer als Stockholm, wo ich lebe.
Gibt es den vielzitierten Wandel seit der Wahl von Präsident Hassan Rohani wirklich?
Ja. Ich habe unter anderem Außenminister Mohammad Javad Zarif und Ali Akbar Velayati, einen seiner Vorgänger und jetzigen Berater des Obersten Geistlichen Führers Ali Khamenei getroffen. Es hat sich einiges geändert. Aber man muss natürlich auch dazusagen, dass es bei der Wahl ja nicht eine echte Auswahl gegeben hat. Rohani war nur unter der begrenzten Anzahl von Kandidaten der moderateste und liberalste.
Kommen wir zum Atomstreit: Glauben Sie an einen Deal bis zum Sommer?
Ich hoffe, dass es bald einen Deal gibt. Wenn beide Seiten sich anstrengen, dann ist die Annäherung und ein Konsens realisierbar. Je später man den Deal abschließt, desto schwieriger wird es. Wenn man den 20. Juli halten kann, wäre das sicherlich auch gut für den Iran.
Meinen Sie wirtschaftlich?
Ja auch, aber die Mehrheit der Bevölkerung und auch Khamenei stehen hinter ihrem Verhandlungsteam. Es geht darum, dass das Land wieder aus der politischen Isolation herauskommt und wieder seinen Platz in der Staatengemeinschaft findet.
Was sind die grundsätzlichen Probleme zwischen dem Westen und dem Iran?
Es geht um ein jahrelanges Vertrauensmanko. Zum einen jenes des Westens, der kritisiert, dass der Iran nicht aufrichtig gewesen war und ein geheimes Atomprogramm betrieben hat. Hinzu kommt, dass die USA dem Iran eine Taktik des Zeitschindens vorhalten. Man hält den Westen hin und arbeitet einstweilen unvermindert weiter an seinem Nuklearprogramm, so der Vorwurf.
Die Perser wiederum trauen den USA nicht über den Weg. . .
Genau so ist es. Sie sind äußerst misstrauisch gegenüber dem Westen und insbesondere gegenüber den Amerikanern, denn sie denken sich, dass der anderen Seite ständig neue und dreiste Forderungen einfallen. Das schürt natürlich Unmut.
Apropos neue Forderungen: Außenminister Zarif tobt, weil einige westliche Verhandler darauf bestehen, das Waffen- und Raketenprogramm des Iran zu thematisieren. Das kommt für Teheran aber nicht infrage.
Es ist befremdlich, dass jetzt neue Punkte in die Verhandlungen eingebracht werden. Ich verstehe die iranischen Irritationen. Zarif hat schon gesagt, dass das nicht zur Diskussion steht, was ich verstehe, denn das Waffenprogramm war im Genfer Zwischenabkommen nicht enthalten.
Die IAEO hat dem Iran zumindest in ihren letzten Berichten bescheinigt, dass er sich an seine Verpflichtungen hält.
Es stimmt zwar, dass die IAEO dem Iran bescheinigt, dass er sich an die Abmachungen von Genf hält, doch die Behörde kann nicht ausschließen, dass der Iran keine anderen nuklearen Aktivitäten betreibt. Das Nichtvorhandensein kann man nicht beweisen. Denken sie an den Irak, welche Fehler man da gemacht hat.
Was ist mit den Amerikanern und den Israelis? Einige Politiker in Washington werfen der US-Regierung vor, sich vom Iran "über den Tisch ziehen zu lassen".
Das ist richtig. Das wird ein Balanceakt für US-Präsident Barack Obama. Denn wenn man die Sache verschiebt, kommt man in den US-Präsidentschaftswahlkampf hinein. Die US-Hardliner und Teile der US-Bevölkerung sind ohnehin nicht iranfreundlich, andererseits ist die Öffentlichkeit in den Vereinigten Staaten kriegsmüde.
Was passiert, wenn es doch keinen Deal gibt?
Ein Deal würde den Hardlinern im Iran und in den USA den Wind etwas aus den Segeln nehmen. Wenn es dann trotz der monatelangen Anstrengungen von Zarif und Ashton doch keine Einigung gibt, dann könnte das die Hardliner wieder stärken.
Welche Folgen hätte eine endgültige Lösung des Atomstreits für die Weltpolitik?
Ein endgültiger Deal könnte als "Eisbrecher" für andere weltpolitische Themen wie etwa Syrien oder die Ukraine fungieren. Nach den Uneinigkeiten zwischen Russland und dem Weißen Haus hinsichtlich des syrischen Bürgerkrieges und dem Ukraine-Konflikt wäre das die Chance, dass man wieder zusammenrückt und so auch andere wichtige Weltprobleme lösen kann. Wenn man es mit dem Iran schafft, wäre dies ein erster Schritt.
Hans Blix, 1928 in Uppsala geboren, gehört der zentristischen Folkpartiet liberalerna an und war 1978/79 Außenminister Schwedens. Von 1981 bis 1997 war er Direktor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA/IAEO) und von 2000 bis 2003 Chef der UN-Rüstungskontrollkommission (Unmovic). Der 85-jährige Experte und schwedische Ex-Diplomat ist nach wie vor ein weltweit gern gesehener Vortragender.