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Atomkraft auf dem Vormarsch

Von Veronika Gasser, Lyon

Wirtschaft

Die Atomkraft könnte in Europa in den nächsten 20 Jahren wieder an Bedeutung gewinnen, davon geht Yvan Jansen, Vize-Präsident des Beratungsunternehmens Boston Consulting Group, aus. Entscheidend dafür sei die Frage, wie hoch die Kosten für die Entsorgung der radioaktiven Überreste ist und von wem sie getragen werden. Denn für private Konzerne werde der Bau neuer Atommeiler zusehends zum Kostenrisiko.


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Europa befindet sich laut Jansen in einem nahezu unlösbaren Energie-Zirkel: Der Stromverbrauch steige, neue Kraftwerke und Übertragungsleitungen würden benötigt, doch die Akzeptanz der Öffentlichkeit in Westeuropa, sie zu bauen, sei gering. Die Politik wolle Wettbewerb und billige Preise, eine verlässliche Versorgung und Unabhängigkeit bei Rohstoffen (Gas, Öl) von anderen Ländern.

Hinzu kommt, dass Emissionen reduziert werden müssen und einige Länder ihre Kernkraftwerke schließen wollen. "Alles zusammen ist nicht möglich, wir müssen Prioritäten setzen." Die Stromerzeuger müssten mit großen Unsicherheiten bezüglich der Rentabilität ihrer Investitionen zurechtkommen. Die logische Konsequenz, sollte nichts geschehen, wären Stromausfälle.

Jansen erwartet, dass die Regierungen in absehbarer Zeit einschreiten, sollten sie eine Stromkatastrophe à la Kalifornien verhindern wollen. Auch wenn die Bevölkerung der neuen EU-Länder kaum Probleme mit neuen Großanlagen habe, durch Import könne die Versorgung in der EU-15 nicht gelöst werden - überhaupt solange noch die benötigten Leitungen fehlen.

Gas habe sich zwar zuletzt als attraktivster Rohstoff erwiesen, es gebe jedoch Nachteile: Große Preisschwankungen und wenige Lieferanten, von denen die Stromerzeuger abhängig sind. Auch der Einsatz alternativer Energieträger sei nur begrenzt möglich. Daher lautet Jansens Prognose: Wenn sich demnächst kein großer Reaktorunfall ereignet, sei der Bau weiterer AKWs im Westen so gut wie sicher.