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"Atomkraft ist Realität"

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Wirtschaft

Piebalgs will | messbares Ziel für den Klimaschutz. | Keine Atomkraftwerke fördern. | "Wiener Zeitung": Die EU-Kommission hat bereits 1997 und 2000 versucht, eine gemeinsame europäische Energiepolitik zu schaffen und ist gescheitert. Warum soll es diesmal funktionieren?


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Andris Piebalgs : Wir schlagen vor, auf reale Ereignisse zu reagieren - Klimawandel, Versorgungsengpässe und steigende Preise. Und die Zeit ist knapp. Es ist klar, dass Europa nur zusammen handeln kann, da sehe ich keine andere Möglichkeit.

Unsere Vorschläge wurden direkt von den EU-Staat- und Regierungschefs in Hampton Court bei uns bestellt. Die österreichische Präsidentschaft - Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Minister Martin Bartenstein - hat das Thema ganz oben auf ihre Prioritätenliste gesetzt. Wenn sie nicht sicher wären, damit Erfolg zu haben, hätten sie das nicht getan. Deswegen bin ich überzeugt, dass die Mitgliedsstaaten dafür sind und auch das Parlament.

Eines Ihrer Ziele ist der Energie-Binnenmarkt. Hier gibt es schon im Ansatz Probleme - etwa in Frankreich und Spanien.

Ich glaube, es ist dann doch noch eine Überraschung, wenn Schlüsselsektoren geöffnet werden und derartige Fusionen anstehen. Die Regierungen müssen sich erst daran gewöhnen. Energie war immer ein Sektor, wo alle glaubten, das sei ein national strategischer. Und dieses Gefühl gibt es noch.

Aber alle Fusionen werden vom europäischen Gesetzgeber nach dem EU-Wettbewerbsrecht überprüft. Und eine Fusion, die damit nicht übereinstimmt, wird nicht akzeptiert.

In Österreich gibt es eine neue Stromlösung. Erst am Donnerstag hat der Aufsichtsrat des Verbund die Beteiligung an der oberösterreichischen Energie AG bewilligt. Wie bewerten sie diese Vorgänge?

Dazu will ich keinen Kommentar abgeben. Ich bin sicher, dass die österreichische Wettbewerbsbehörde einbezogen ist. Sie wird entscheiden, ob das besser für den Wettbewerb und die Kunden ist oder nicht. Ich glaube, die österreichischen Behörden werden eine gute Entscheidung treffen und sie ordnungsgemäß der Kommission melden.

Das Ziel der Konstruktion ist es, die Beteiligung ausländischer Unternehmen an den österreichischen Energiegesellschaften zu verhindern.

Es handelt sich um einen Vorschlag, und den werden wir prüfen. Es heißt rasch, es handle sich um Nationalismus oder Protektionismus. Aber das sind nur Verpackungen, darum geht es nicht. In Wirklichkeit handelt es sich um Wettbewerb. Die Aktionäre treffen eine Entscheidung, und die Wettbewerbsbehörde überprüft sie. Von diesen beiden Faktoren hängt es ab.

Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso hat die Reduktion von kohlenstoffhaltigen Energiequellen in der EU um 50 Prozent über die nächsten 30 Jahre angeregt. Ist das ein Vorschlag der Kommission?

Barroso hat nur ein Beispiel genannt. Wir wollen eine nachhaltige, sichere und wettbewerbsfähige Energieversorgung. Es gibt bereits erneuerbare Energie, aber meiner Meinung nach nicht genügend. Viele sagen: 20 Prozent ist zu viel, oder 5,75 Prozent ist zu viel, wie beim Biotreibstoff. Und ich verstehe auch, woher das kommt. Sie haben keine globale Vision.

Und ich sage, wir müssen unsere Emissionen verringern, um den Klimaschutz zu gewährleisten. Wir brauchen ein globales Ziel, das wir messen können. Wenn ich höre, wir haben heute sechs Prozent Anteil erneuerbare Energien und 2030 sind es immer noch sechs Prozent, dann frage ich mich, ob unsere Ambitionen ausreichen.

Gilt Atomenergie für die EU-Kommission als kohlenstofffreie, emissionsarme und daher förderungswürdige Energiequelle?

Wir müssen drei Dinge fördern. Energieeffizienz, erneuerbare Energien und neue Technologien. Aber Atomkraft ist eine Realität, und es gibt einige Mitgliedsstaaten, die daran festhalten. Wenn ich in Österreich bin, fragt mich jeder nach Temelin. Und Temelin existiert und hat keinen Kohlendioxidausstoß. Bei einem Ausstieg aus der Kernkraft muss man genau darauf achten, welche Energiequelle man nutzt, damit der Kohlendioxidausstoß nicht weiter steigt.

Wenn ein Land ein Atomkraftwerk betreibt, muss die Bevölkerung im Nachbarstaat wissen, wo die nuklearen Abfälle gelagert werden und wie der Sicherheitsstandard ist. Die Kommission schlägt nicht vor, Nuklearenergie zu fördern und setzt sie auch nicht mit erneuerbaren Energien gleich. Aber wir brauchen den Mut, den Fakten in die Augen zu sehen. Das nicht zu tun, schafft mehr Probleme und nicht weniger.