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"Atomstreit ist für Westen nur ein Vorwand"

Von Arian Faal

Politik

EU-Ölembargo wird Iran hart treffen, meint Iran-Experte Bahman Nirumand.


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"Wiener Zeitung":Am Sonntag startet die EU ihr Ölembargo gegen den Iran. Können die Perser diese 18 Prozent der Ausfälle der Öleinnahmen einfach so kompensieren?

Bahman Nirumand ist Autor zahlreicher Publikationen. Seit 2001 ist der 76-Jährige Verfasser des monatlich erscheinenden Iran-Reports der Heinrich-Böll-Stiftung.
© privat

Bahman Nirumand:Ich glaube, dass es diesmal nicht so leicht sein wird, die Sanktionen zu kompensieren. Es ist tatsächlich ein harter Schlag für Teheran. Die Regierung versucht natürlich nach außen hin, die Wirtschaftssanktionen herunterzuspielen und ihre Wirkungslosigkeit zu unterstreichen. Tatsache ist aber, dass Irans Wirtschaft in einer massiven und katastrophalen Krise steckt. Die Menschen leiden enorm unter den ständigen Teuerungswellen, viele Betriebe müssen schließen, weil sie die Löhne nicht mehr bezahlen können.

Kann man also sagen, dass mit dem Öl-Embargo die Achillesferse der iranischen Wirtschaft getroffen wurde?

Absolut, die Öleinnahmen sind mit 80 Prozent die wichtigste Einnahmequelle der Regierung, und das Embargo wird sich sicherlich auswirken. Allerdings muss man hinzufügen, dass die hohen Ölpreise bis März dafür gesorgt haben, dass die Perser dennoch hohe Einnahmen hatten.

Kommen wir zum Atomstreit: Warum ist nach all den Jahren immer noch keine Lösung in Sicht? Woran scheitert es?

Es scheitert, weil es um Probleme geht, die weit über den Atomkonflikt hinaus gehen. Es geht um die Ordnung des Nahen und Mittleren Ostens. Durch die Islamische Revolution 1979 hat der Iran die Strategie des Westens, die Region zu kontrollieren, durcheinander gebracht. Der Atomstreit hätte schon vor vielen Jahren gelöst werden können.

Was meinen Sie genau?

Meiner Meinung nach ist der ganze Atomstreit für den Westen nur ein Vorwand. Der Iran war in der Regierungszeit von Präsident Mohammad Khatami zu weitreichenden Kompromissen bereit, doch der Westen wollte eine komplette Einstellung des iranischen Atomprogramms. Das geht natürlich zu weit. Denn der Iran hat als Mitglied des Atomwaffensperrvertrages selbstverständlich das Recht, Uran im eigenen Land anzureichern. Das ist ein verbrieftes Recht und das lässt man sich nicht nehmen.

Vor allem Israel fürchtet einen eine Atommacht Iran und hat mit einem Militärschlag auf iranische Atomanlagen gedroht...

Israel und der Westen haben Angst vor einem atomar bewaffneten Iran, weil das Land außerhalb des westlichen Bündnisses steht und eine Kettenreaktion auslösen würde. Die arabischen Staaten würden nachziehen und Israel würde seine Monopolstellung als Atommacht in der Region verlieren.

Der Arabische Frühling hat die Region zusätzlich durcheinander gewürfelt.

Ja genau, es gibt keinen Hosni Mubarak mehr, der Israel die Stange hält und alles tut, was die Amerikaner wollen. Das Problem Israels ist, dass es sich eingebettet hat als einziger Staat in der Region mit rund 250 Atomsprengköpfen oder mehr inmitten einer Reihe von Ländern, die Israel feindlich gesinnt sind. Daher muss Israel sein Verhältnis zu diesen Ländern normalisieren und die Rechte der Palästinenser anerkennen. Hinzu kommt, dass Tel Aviv nun auch ein engeres Zusammenrücken von Kairo und Teheran befürchtet. Die neue Regierung in Kairo wird nicht mehr nach der westlichen Pfeife tanzen.

Präsident Ahmadinejad ist quasi auf dem politischen Abstellgleis. Gibt es eine Führungskrise?

Es gibt schon seit Jahren Machtkämpfe innerhalb des Führungszirkels. Ich würde nicht sagen, dass Ahmadinejad komplett entmachtet ist, denn er hat noch einige Teile der paramilitärischen Bassij-Truppen hinter sich, doch Sie haben recht, das Parlament ist mehrheitlich gegen ihn und auch Irans oberster Führer Ali Khamenei scheint sich von ihm abgewendet zu haben. Rafsanjani ist wieder voll im politischen Geschehen. Das hat aber damit zu tun, dass Khamenei selbst auch nach Halt sucht. Er hatte 2009 alle seine Karten auf Ahmadinejad gesetzt. Diesem ist der Ruhm aber über den Kopf gewachsen und so entzog ihm Khamenei wieder das Vertrauen.