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Attentat zum Auftakt des Wahlkampfes im Baskenland

Von Rainer Mayerhofer

Politik

San Sebastian - Nur zwei Tage nachdem der Regierungschef des Baskenlandes (Lehendakari) Juan Jose Ibarretxe für den 13. Mai vorgezogene Neuwahlen angekündigt hatte, schlug die Terroristenorganisation ETA in der Stadt Ordizia bei San Sebastian neuerlich mit einem blutigen Autobombenanschlag zu, der dem sozialistischen Gemeinderat Ignacio Dubreil Churruca galt. Zwei Elektriker, die zufällig in der Nähe des Tatortes waren, wurden auf der Stelle getötet, zwei ihrer Kollegen ebenso wie der Politiker und dessen Leibwächter wurden zum Teil schwer verletzt. Es war dies der zweite tödliche ETA-Anschlag dieses Jahres. Am 26. Jänner dieses Jahres war in San Sebastian der Koch einer Militärkaserne durch eine Autobombe getötet worden. Im Vorjahr fielen 23 Menschen dem ETA-Terror zum Opfer.


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Der Sprengsatz - die spanische Polizei spricht von 5 bis 6 Kilogramm Sprengstoff, der in einem grünen Renault 18 versteckt war - explodierte kurz vor acht Uhr Früh, als der Lokalpolitiker mit seinem Leibwächter den Bahnhof in einem Vorort von Ordizia verließ. Er war auf dem Weg in eine Berufsschule, wo er unterrichtet. Das Auto, von dem nur ein paar Trümmer übrig blieben, befand sich etwa 50 Meter vom Bahnhofsausgang entfernt und wurde vermutlich per Fernzündung zur Explosion gebracht.

Das Attentat fällt in eine politisch besonders heiße Zeit. Am Dienstag hatte der baskische Regierungschef Ibarretxe, der im Parlament mit seiner baskischen Nationalpartei (PNV) nachdem ihm der politische Arm der ETA (EH)die Unterstützung entzogen hat, über keine Mehrheit mehr verfügt, für den 13. Mai vorgezogene Neuwahlen angekündigt und erst am Mittwoch hatten die Oppositionsparteien, unter ihnen Volkspartei (PP) und Sozialisten (PSE-EE), dagegen protestiert, dass die bis zur Auflösung des Parlaments vorgesehenen Sitzungen nicht mehr abgehalten werden sollen. Ibarretxe hatte im Parlament von Vitoria, seit er die Mehrheit eingebüßt hatte, bei 58 Gesetzesabstimmungen eine Niederlage hinnehmen müssen und wollte sich vor den Wahlen weitere ersparen.

Donnerstag hat der "Lehendakari" zu 15-minütigen Schweigeversammlungen aufgerufen und alle anderen Parteien zu einer Großdemonstration in San Sebastian für Frieden und Freiheit und gegen die Gewalt der ETA aufgerufen. Ein Sprecher der PNV, die bei den kommenden Wahlen erstmals seit der Wiederherstellung der Demokratie in Spanien im Jahr 1976 die Regierungsmehrheit verlieren könnte, hat das gestrige Attentat scharf verurteilt. Aus Madrider Regierungsskreisen hieß es, die ETA habe damit den Wahlaufruf Ibarretxes auf makabre Art beantwortet.

Bei den Wahlen um das Amt des Lehendakari wird der derzeitige Innenminister Jaime Mayor (PP), der im Kampf gegen den ETA-Terror eine führende Rolle spielt, gegen Ibarretxe antreten und deshalb in den nächsten Tagen sein Amt in der Regierung Aznar zur Verfügung stellen. Mayor rechnet sich gute Chancen aus, in Zusammenarbeit mit den baskischen Sozialisten die nationalistischen Parteien zu überrunden. Im derzeitigen baskischen Parlament hält die PNV 21 von 75 Sitzen, auf die PP entfielen 16, je 14 auf die Sozialisten und den politischen Arm der ETA, die Euskal Herritarrok (EH), 6 Sitze auf eine weitere baskische nationalistische Partei (EA), und je zwei auf die Partei der Vereinigten Linken (IU-EB) und eine der Volkspartei nahestehende Gruppe (UA).

Umfragen, die im November und Dezember durchgeführt wurden, sagen zwar der PNV ein halten ihres Standes oder sogar eine leichte Steigerung voraus (21-23 Sitze), die Volkspartei dürfte sich danach auf 18 bis 20 Sitze steigern und die Sozialisten liegen zwischen 14 und 16 Mandaten. Eine schwere Niederlage sehen alle Umfragen für die EH voraus, die 3 bis 4 ihrer 14 Mandate verlieren wird.

Innenminister Mayor, der für die Volkspartei im Baskenland antritt, traf sich Donnerstag mit Premierminister Jose Maria Aznar, um über seine Nachfolge zu sprechen. Er will noch vor dem Ministerrat am 3. März sein Amt zurücklegen, um sich voll dem Wahlkampf im Baskenland widmen zu können. Mayor hat schon dem sozialistischen Kandidaten im Baskenland, Nicolas Redondo Terreros, ein Abkommen für den Wahlkampf angeboten, das aber von den Sozialisten nicht gerade mit großem Enthusiasmus aufgenommen wurde. Sie befürchten, dass eine allzu enge Umarmung durch die PP sie politisch erdrücken könnte und dass sie in der baskischen Wahlauseinandersetzung zwischen Nationalisten und Volkspartei aufgerieben werden könnten.