Am Donnerstag setzte die Wiener Börse ihre Rekordjagd fort: Um 14.24 Uhr überstieg der ATX die 3.000er-Marke. Seit Jahresbeginn hat der Leitindex um 22,9% zugelegt, seit Anfang Mai um 16% und innerhalb der letzten zwölf Monate sogar um 57%. Die gute Entwicklung verdankt die Börse dem wirtschaftlichen Aufschwung in Zentral- und Osteuropa, denn der heimische Marktplatz wird von ausländischen Investoren als Drehscheibe für den Osten gesehen. Um diese Rolle zu stärken, will die Wiener Börse eine Ostbörsen-Holding gründen.
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Seit Jahresbeginn haben sich die Indizes aller europäischen Länder nach oben entwickelt, doch die Wiener Börse legte in erstaunlichem Tempo zu und hat die anderen westeuropäischen Börsen längst abgehängt. So stieg der französiche Leitindex CAC 40 seit Jahresbeginn um 9,7% und der Londoner FTSE um 4,6%. Trotz Wirschaftsflaute konnte der deutsche DAX um 7% zulegen.
Die Börsen in Osteuropa haben auch dieses Jahr einen Höhenflug erlebt. Der Budapester Index BUX stieg seit Anfang Jänner um 25% und seit Mai um 14,5%. Der Prager PX 40 legte seit Jänner um 20% und seit Mai um 8% zu. Weniger spektakulär verlief die Entwicklung des Warschauer WIG 20, der seit Jänner um 3% und seit Mai um 13,4% stieg.
Wien gilt längst als Ostbörse
Die Entwicklung des Wiener Aktienhandels schließt somit an jene der Ostbörsen an. Börsevorstand Michael Buhl erklärt im Gespräch mit der "Wiener Zeitung", dass er sein Haus seit dem starken Engagement heimischer börsenotierter Unternehmen in Zentraleuropa als Ostbörse sieht. Unter diesem verlockenden Motto würden die heimischen Unternehmen auch bei Road-Shows oder Investorengesprächen verkauft.
Die sechs führenden Titel des ATX (Erste 18%, OMV 17%, Telekom 14%, BA-CA 7,5% und Raiffeisen International 8,7%, Wienerberger 6,3%) gelten mittlerweile als Osttitel oder sind, wie die Telekom durch den Kauf der bulgarischen Mobtel, auf dem besten Weg, einer zu werden.
80% ausländische Investoren
Ausgelöst wurde der rasante Aufstieg Wiens vor allem durch das enorme Interesse ausländischer Investoren. So sind etwa 80% der Aktienkäufer internationale Fonds oder Investoren, die Hälfte davon wickelt ihre Geschäfte jedoch über heimische Finanzinstitute ab. Und nur 20% der Anleger kommen aus Österreich.
Die heimischen Kleinanleger spielen dabei auf dem Wiener Marktplatz keine Rolle. "Die Achillesferse der Wiener Börse sind die Privatanleger," bedauert Buhl. Das in österreichische Aktien investierte Vermögen der heimischen Kleinanleger sei derart gering, dass es darüber nur Schätzunge gibt. Börsevorstand Stefan Zapotocky schätzt es auf etwa 1 bis 2%. Genaue Berechnungen gebe es nicht.
Beide Börsechefs sind mit dieser Situation nicht zufrieden, sie wollen die Wertpapierberater deshalb besser einbinden und von den Chancen des heimischen Kapitalmarktes überzeugen. Derzeit gelte das Interesse der Kleinanleger vor allem deutschen und amerikanischen Aktien.
Ostbörsen-Allianz in 2 Jahren
Nicht nur heimische Unternehmen setzten auf Ostphantasien, dies gilt auch für die Börse. Derzeit ist sie schon zu 68% an der Budapester Börse beteiligt. Doch damit nicht genug, so soll in den nächsten zwei Jahren unter der Leitung der Wiener Börse in den nächsten zwei Jahren eine Ostbörsen-Holding entstehen.
Diese Holding soll auch die Mehrheit an den Marktplätzen von Warschau, Prag, Bratislava, Laibach, Zagreb, Bukarest und Sofia halten. Wie in Wien könnten die Eigentümer eine Mischung aus internationalen Emittenten und Banken sein. Als die Initiatoren dieser Idee gelten Erste-Chef Andreas Treichl, RZB-Chef Walter Rotensteiner und BA-CA-Vorstand Erich Hampel. Die Kosten des Projekts werden auf 300 Mill. Euro geschätzt.
Ob die Prager von der Idee der Börsen-Allianz unter Österreichischer Schirmherrschaft zu überzeugen sind, ist höchst ungewiss. Derzeit gestalten sich die Gespräche schwierig, heißt es.
Doch abseits der Ostallianzen hat die Börse auch am Heimmarkt zu kämpfen. Durch die Übernahme der HVB durch die UniCredit, ist das weitere Schicksal der BA-CA ungewiss. Das Verschwinden vom Kurszettel ist nicht besiegelt. In den letzten Tagen ist der BA-CA-Kurs unaufhaltsam gestiegen. Die Anleger gehen folglich davon aus, dass es entweder zu einer Nachbesserung des UniCredit-Angebots kommt oder die BA-CA an der Börse bleibt. Abschied nehmen heißt es sicherlich von der Investkredit, die von den Volksbanken übernommen wird. Adieu gesagt haben die Börsechefs bereits der VA Tech-Aktie seit dem Siemens-Coup .
Siehe auch Seite 26