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AUA-Russland-Flugrechte: "Und" oder doch "oder". . .

Von Sigmar Stadlmeier

Analysen

Die Eigentumsbeziehung zwischen einer Airline und ihrem Heimatstaat ist ein Kind der Nachkriegszeit, nachdem auf der Konferenz über die internationale Zivilluftfahrt von Chicago 1944 zwar die volle und ausschließliche Regelungshoheit der Staaten über ihren Luftraum bekräftigt wurde, aber nur eine multilaterale Einigung auf die ersten beiden "Freiheiten" des Luftverkehrs - nämlich Überflugsrechte und technische Zwischenlandungen - gelang. Die gewerblich interessanten Rechte der Beförderung von Passagieren, Post und Fracht zwischen zwei Staaten (dritte und vierte Freiheit) sowie darüber hinaus (fünfte Freiheit) werden seit Chicago 1944 grundsätzlich durch bilaterale Luftverkehrsabkommen zwischen jeweils zwei Staaten gewährt. Darin räumen die Vertragsparteien einander gegenseitig Verkehrsrechte ein und machen dann Airlines zu deren Ausübung namhaft ("Designierung").


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Die so als Außenhandelsinstrument ihres Heimatstaats eingesetzte Airline soll ein Naheverhältnis zu "ihrem" Staat haben, das in den Luftverkehrsabkommen mit "substantial ownership and effective control" (überwiegendes Eigentum und tatsächliche Verfügungsgewalt) umschrieben wird: Diese muss in der Hand des designierenden Staates - oder wenigstens seiner Staatsbürger - sein. Nur innerhalb der EU muss ownership and control nicht mehr in der Hand eines bestimmten Mitgliedstaats, sondern nur der EU insgesamt sein.

Eine Definition für die beiden Elemente fehlt freilich - auch, weil es sich in Wirklichkeit nicht um objektive Kriterien handelt: Auch im Luftverkehrsabkommen zwischen Österreich und der Russischen Föderation aus dem Jahr 1993 kommt es darauf an, ob die jeweils andere Vertragspartei subjektiv überzeugt ist, dass substantial ownership and effective control an einer designierten Airline in der Hand des designierenden Staates (oder seiner Staatsbürger) liegen. Ist sie nicht überzeugt, dann fallen die vertraglich eingeräumten Verkehrsrechte auch nicht automatisch weg, sondern es erwächst der solcherart nicht überzeugten Vertragspartei nur ein Recht, diese zu beschränken oder auszusetzen. Politische Erwägungen entscheiden, ob sie dieses Recht ausübt.

Im Falle der Verkehrsrechte zwischen Österreich und der Russischen Föderation liegt nun bei Letzterer dieses doppelte Ermessen, ob sie von substantial ownership and effective control Österreichs über die AUA noch überzeugt ist und - falls nicht - ob sie dies zum Anlass für die Versagung von Genehmigungen machen will. Hinzu tritt noch das Problem, dass die deutsche und die russische Fassung des Abkommens das gleiche rechtliche Gewicht haben - die russische Fassung spricht aber von Zweifeln über Eigentum "oder" Verfügungsgewalt, die deutsche verwendet das Wort "und".

Aus russischer Sicht genügen also subjektive (!) Zweifel, dass die für die Übernahme der AUA gewählte Stiftungskonstruktion auch die tatsächliche Verfügungsgewalt Österreichs sicherstellt.

Angesichts der Konstruktion sind Zweifel daran nicht vollkommen unbegründet: In einer Österreichischen Luftverkehrs-Holding GmbH (ÖLH) als Hauptaktionär der AUA hält eine Stiftung eine dünne Mehrheit (der Rest ist direkt in Händen der Lufthansa); in der Stiftung selbst stellt die Lufthansa drei von fünf Stiftungsräten. Dieser Einfluss leidet auch nicht unter der Vereinbarung, wonach drei Stiftungsräte österreichische Staatsbürger sein werden, führt doch mit Wolfgang Mayrhuber - derzeit noch - ein Österreicher die Lufthansa.

Subjektive Zweifel reichen nach dem Wortlaut und dem Sinn des Luftverkehrsabkommens: Daher sind die Argumente der AUA, die den österreichischen Unternehmenssitz und die österreichische Betriebsgenehmigung hervorheben, eben keine taugliche objektive Widerlegung - es kommt nur darauf an, ob sich die Russen überzeugen lassen.

Viel besser erschiene das Argument, dass die russische S7, die ebenfalls Interesse an AUA hatte, eine ganz ähnliche Stiftungskonstruktion hätte wählen müssen, um umgekehrt Zweifeln an der verbleibenden EU-ownership and control entgegenzutreten.

Gänzlich vermeidet diese Schwierigkeiten hingegen die Beteiligung der Air Berlin an Niki - aber auch nur, solange ownership and control an Niki noch bei Nikolaus Lauda bleiben.

Ao. Univ.Prof. Dr. Sigmar Stadlmeier ist Vorstand des Instituts für Völkerrecht und Internationale Beziehungen der Johannes Kepler Universität Linz und Ko-Autor der Website www.luftfahrtrecht.at.