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Auch Amelie konnte die Mobylette nicht retten

Von Uwe Gepp, Paris

Wirtschaft

Sie gehörte zu Frankreich wie Gauloises-Zigaretten und die "Ente" von Citroen. Doch nun heißt es Abschied nehmen: Nach 53 Produktionsjahren und mehr als 30 Millionen verkauften Exemplaren ist letzte Woche im nordfranzösischen Saint-Quentin die letzte Mobylette vom Band gerollt. Eine verschärfte Abgasrichtlinie der EU versetzte dem legendären Mofa den Todesstoß. "Eine Aufrüstung etwa mit Katalysator wäre viel zu teuer", sagt MBK-Fabriksdirektor Pedro Alvarez.


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Zuletzt kurvte Nino Quincampoix, der Freund der "Fabelhaften Amelie", auf einer Mobylette durch Paris und belebte im Kino höchst erfolgreich das Klischee vom ungezwungenen französischen Lebensstil auf zwei Rädern. "Der Film hat ein reges Medieninteresse an der Mobylette ausgelöst, sich aber leider nicht in den Auftragsbüchern niedergeschlagen", bedauert Alvarez. Gerade noch 11.000 Exemplare wurden in diesem Jahr gebaut, zur Glanzzeit 1974 waren es 750.000. "Mobylisten wollen ihre Freiheit", warb der deutsche Importeur im ostwestfälischen Brackwede damals für die "Maschinen im Stil der Young Generation". Für Generationen von Jugendlichen war der knatternde Zweitakter die Verheißung der Unabhängigkeit. Star der Serie war das Modell "la Bleue" (Die Blaue), auf die rund die Hälfte der Gesamtproduktion entfiel.

Für die erste Mobylette - die 30 Stundenkilometer schnelle AV3 von 1949 - montierten Charles Benoit und Eric Jaulmes einen 50-Kubikzentimeter-Motor auf einen Fahrradrahmen. Die Zweitakter seien im Lauf der Jahrzehnte ständig modernisiert worden, erklärt Alvarez. Aber die Mobylette sei im Großen und Ganzen immer die gleiche geblieben.

Technisch veraltet und im Game-Boy-Zeitalter endgültig aus der Mode gekommen, bleibt dem Klassiker der Platz im Museum und in der kollektiven Erinnerung der Franzosen. Der Hersteller MBK - früher Motobecane - gehört längst zum japanischen Yamaha-Konzern und macht sein Geschäft mit modernen Zweirädern. Natürlich sei er nostalgisch, "aber wir müssen auch realistisch sein und nach vorne schauen", sagt Alvarez.

Ab Juni dürfen die Mobylettes gemäß EU-Richtlinie nicht mehr verkauft werden. Eine technische Aufrüstung würde die zwischen 760 und 1.500 Euro teuren Zweitakter um bis zu 30 Prozent verteuern. Die robusten Maschinen erfreuen sich in Afrika großer Beliebtheit und werden dort weiter zusammengebaut. Auch eine Fabrik in Istanbul stellt in Lizenz Mopeds mit Mobylette-Teilen zusammen. "Das sind aber keine Original-Mobylettes", unterstreicht Alvarez.

Fans können das Kultobjekt in Frankreich weiter kaufen - für 46 Cent in Briefmarkenform. Die französische Post erkor das Zweirad zum Motiv einer Sonderserie legendärer Verkehrsmittel, gemeinsam mit dem Überschallflugzeug Concorde, der "Ente", dem Hochgeschwindigkeitszug TGV und dem Kreuzfahrtschiff "France".