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"Auch Ausländer sollen wählen"

Von Bernd Vasari

Politik
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Bei Bundespräsident Heinz Fischer wurde die Petition vorgestellt. Weiters im Bild: Ali Rahimi, Georg Kraft-Kinz und Meri Disoski (v.l.n.r.).
© VWFI/Roland Rudolph

Fischer: Petition als Impulsgeber für neue Sichtweisen bei Integrationsthema.


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Wien. Die vor sich hinruckelnde österreichische Integrationspolitik soll nun einen neuen Impuls erhalten. Unter dem Motto "Chancengleichheit Jetzt: Für mutige Reformen in der Integrationspolitik" startete der Verein Wirtschaft für Integration (VWFI) eine Online-Petition, um auf "Konzepte und Änderungsbedürfnisse, die seit Jahren auf dem Tisch liegen", hinzuweisen, so Meri Disoski, Geschäftsführerin des Vereins.

Als Grundlage der Online-Petition dienen die Ergebnisse des vom VWFI veranstalteten Österreichischen Integrationstages 2013, an dem im April 400 Vertreter aus Wirtschaft, Politik, Medien, NGOs und Zivilgesellschaft zusammentrafen und in Workshops diskutierten.

Der Auftakt der Petition fand vor kurzem bei Bundespräsident Heinz Fischer statt, wo ihm das Ergebnis des Integrationstages übergeben und die Petition vorgestellt wurde. Fischer ist erfreut über die "zukunftsorientierte" Initiative. "Ich wünsche mir, dass sie als Impulsgeber für neue Sichtweisen und Modelle zum Thema Integration fungiert. Jeder Vorschlag zu einem friedlichen Miteinander ist willkommen."

Die Ergebnisse wurden für die Petition in sechs Kernbotschaften verpackt:

In der ersten Kernbotschaft wird die Möglichkeit von "Politischer Partizipation für alle Bürgerinnen und Bürger" gefordert. Jeder, der drei Jahre in Österreich wohnt, soll ein volles Wahlrecht erhalten, die Doppelstaatsbürgerschaft soll ermöglicht werden und Kinder von Ausländern, die in Österreich geboren wurden, sollen automatisch die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten.

Im zweiten Punkt "Politik als Spiegel der Gesellschaft" wird die unterdurchschnittliche Repräsentation von Migranten in der Politik angesprochen. Um den Anteil von Personen mit Migrationsgeschichte zu steigern, sollen diese durch "Ermutigungsoffensiven" motiviert werden, sich vermehrt in der Politik zu engagieren.

In der dritten Forderung "Chancengleichheit im Bildungssystem" wird die derzeit frühe Differenzierung und Selektion von Schülern kritisiert. Umgesetzt werden sollen daher etwa der Ausbau des Ganztagesschulangebots, die Förderung und "Literarisierung" von Erstsprachen, eine adaptierte Ausbildung, die alle Pädagogen auf soziale, kulturelle und sprachliche Heterogenität vorbereitet, und die Unterstützung der Pädagogen durch sozialpädagogisch und psychologisch geschultes Personal.

Anonymisierte Bewerbung und mehrsprachige Ämter

Die "Vereinfachung des Arbeitsmarktzuganges" ist Thema des vierten Punktes. Ausbildungen und Abschlüsse, die im Ausland erworben wurden, sollen in einem vereinfachten und fairen Verfahren anerkannt werden. Weiters sollen anonymisierte Bewerbungsverfahren als Standard eingesetzt und die Bedingungen für den Erwerb der Rot-Weiß-Rot-Karte erleichtert werden.

"Ja! zu Diversität" ist das Motto der fünften Forderung der Petition. Mehrsprachigkeit soll in öffentlichen Einrichtungen (Serviceangebot, Personal) verankert und Maßnahmen zur Sensibilisierung für und Bewusstseinsbildung über Diversität für Angestellte sollen im öffentlichen Sektor installiert werden.

Im letzten Punkt wird ein "Ja! zu Mehrsprachigkeit" gefordert. Die gleichwertige gesellschaftliche Anerkennung von Herkunftssprachen sowie die mehrsprachige Kommunikation in Unternehmen und Institutionen sollen unterstützt werden.

Bis 3. Juli kann die Petition unterzeichnet werden. Man erhofft sich 10.000 Unterzeichner aus ganz Österreich, sagt Disoski. Sie ist sich bewusst, dass die sechs Punkte in der Gesellschaft anecken werden, etwa bei der Forderung nach Mehrsprachigkeit und der Doppelstaatsbürgerschaft. Kontroverse Diskussionen seien aber erwünscht - auch, um dem Thema neues Leben einzuhauchen. "Der Integrationstag hat einmal mehr gezeigt, dass es dringenden Handlungsbedarf gibt", so die VWFI-Obmänner Georg Kraft-Kinz und Ali Rahimi. "Über viele notwendige Maßnahmen herrscht bei Engagierten und Experten seit Jahren Konsens. Nun ist die Politik am Zug."

Aus einer politischen Grundhaltung heraus werden Menschen die Forderungen aber wahrscheinlich nicht unterstützen, glaubt Disoski: "Das ist nicht grün, das ist nicht schwarz, das ist nicht rot und schon gar nicht blau."

Die Unterstützer, die bereits unterschrieben haben, kommen aus unterschiedlichsten Berufssparten. Wie unter anderem der stellvertretende Generaldirektor der Raiffeisenbank, der Geschäftsführer des Edel-Fitnessstudios John Harris, der Vorstand vom Flughafen Wien, die Geschäftsführerin der Initiative Minderheiten, sowie Politikwissenschafter und Schriftsteller, sagt Disoski.

Blick nach vorne

und nicht zurück

Es gehe um ein wichtiges Signal: Die breite Zivilgesellschaft soll zeigen, dass sie hinter den Forderungen steht. Der Blick soll dabei aber nicht in die Vergangenheit gerichtet werden: "Uns geht es nicht darum, was verabsäumt wurde, sondern: Wir wollen den Blick in die Zukunft richten, wo wir in einer Gesellschaft leben wollen, wo es selbstverständlich ist, dass man etwa in der Straßenbahn Türkisch, Urdu, Bangla oder was auch immer sprechen kann, ohne dass mich jemand schief anschaut", unterstreicht die Geschäftsführerin. Weiters soll es selbstverständlich sein, dass man in der Zukunft nicht die Staatsbürgerschaft seines Herkunftslandes aufgeben muss, wenn man in Österreich wählen möchte.

Neben der Online-Petition werden die Kernbotschaften auch direkt an Politiker überbracht werden. Besucht werden Unterrichtsministerin Claudia Schmied, Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek, Sozial- und Arbeitsminister Rudolf Hundstorfer (alle SPÖ) sowie Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (beide ÖVP). Meri Disoski: "Die Frage wird aber sein, wie stark der Umsetzungswille im Anbetracht der nahenden Nationalratswahlen ist."