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Der "Internationale Tag ohne Musik" ist heute. Gemeint hat ihn sein Initiator, der britische Konzeptkünstler Bill Drummond, natürlich genau anders herum. Weil alles, was man einmal entbehren musste, in der Wertigkeit zunimmt. Nichts ödet mehr an als der Normalzustand des Außerordentlichen - was ja ein Widerspruch in sich ist, weil das Wort "außerordentlich" schon das Besondere ausdrückt. Wenn sich einer jeden Tag Champagner zum Kaviar kredenzen lässt, verlieren Champagner und Kaviar ihr Flair. Dann ist ein Käsebrot vielleicht das für den Champagner-und-Kaviar-Konsumenten, was Champagner und Kaviar für den Alltags-Käsebrotesser ist. Falls man überhaupt auf Champagner und Kaviar steht.
Musik ist im Idealfall Champagner mit Kaviar. Alle Sinne sollten sich auf sie richten. Sie sollte den Tag feiern, ihn erhöhen. Das ist ihr ritueller, ihr magischer Urgrund. Die Bestimmung der Musik ist weder, ein Handy-Jingle zu sein noch ein Hintergrund-Gedudel im Supermarkt noch ein Film-Dauerklangfond, und wenn die Mariahilfer Straße demnächst aus allen Kaufhauslautsprechern mit "Last Christmas" und "Little Drummer Boy" zwangsbeschallt wird, hat das mit Musik gar nichts zu tun. Sogar zur Vertreibung von Obdachlosen aus U-Bahnstationen wird Musik jetzt eingesetzt - was nur zeigt, dass auch böse Menschen Lieder haben.
Einen Tag bewusst auf Musik verzichten - und man begreift, wo überall mit Musik Schindluder getrieben wird. Welch wunderbarer Tag der Musik doch der Tag ohne Musik ist!