WEF: Führungskräfte unter Druck. | Mehr Beteiligung der Bürger nötig. | Davos. Die Welt scheint führerlos zu sein: Viele Führungspersönlichkeiten in Politik und Wirtschaft sehen sich als Getriebene. Auch die Medien haben nur einen begrenzten Einfluss, zeigte eine Podiumsdiskussion beim Weltwirtschaftsforum in Davos.
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Eigentlich ist es das Ziel des Weltwirtschaftsforums (WEF), jene Protagonisten in Davos zu haben, die der Welt sagen, wo es langgeht. Doch seltsam, die fünf Führungspersonen aus Politik und Wirtschaft, die sich am Freitag auf dem Podium eingefunden hatten, stellten sich eher als Getriebene denn als Antreiber dar. "Wer bestimmt die globale Agenda?", lautete die Frage. Die Podiumsteilnehmer scheinbar kaum.
Befehle sind "out"
Lloyd C. Blankfein, Präsident und CEO der US-Investmentbank Goldman Sachs, meinte, es seien in seiner Firma vor allem die jüngeren Mitarbeiter, die wesentliche Impulse in die Chefetage trügen. "Diese jungen Leute unter 35 Jahren sind selbstbewusst und gut informiert. Es ist eine neue, vom Internet geprägte Generation, die nicht mehr nur Befehle ausführen und Geld verdienen will". Es sei deren Druck zu verdanken, dass die Goldman-Sachs-Gruppe heute eine viel aktivere Umweltpolitik betreibe. "Heute kann niemand mehr einfach befehlen. Man muss zuhören und diskutieren können. Sonst stehen auch die Führungspersonen sehr bald im Regen".
Für den britischen Finanzminister und zukünftigen Premier Gordon Brown lässt sich Politik heute nicht mehr machen ohne die direkte Einbindung der Bürger. "Warum sind so viele Menschen skeptisch gegenüber der Globalisierung, trotz der doch so offensichtlichen Vorteile? Weil wir es versäumt haben, darüber zu diskutieren", meinte er selbstkritisch. Für Brown müssen in Zukunft Wege gefunden werden, die Öffentlichkeit in die Debatten einzubinden, bevor es zu wichtigen Entscheidungen komme.
Dass die Medien und dabei vor allem neue Kanäle wie das Internet eine wesentliche Rolle spielen, lag für den Medienzar Robert Murdoch auf der Hand.
Begrenzte Medienmacht Doch auf die Frage des Moderators Charlie Rose, Talkmaster der gleichnamigen US-Fernsehsendung, ob denn die Medien die Agenda bestimmten, verneinte Murdoch. "Wir würden es vielleicht gerne, aber wir können es nicht". Er verwies auf den Irakkrieg, den sein Konzern publizistisch unterstützt habe. "Doch haben wir damit verhindern können, dass die Menschen kriegsmüde geworden sind?" Von einem anderen Krieg sprach die israelische Aussenministerin Tzipi Livni. Die Medien hätten ihr im jüngsten Libanonkrieg die Agenda aus der Hand gerissen. Die kritische Berichterstattung habe potentielle Verbündete - gemeint waren wohl die USA - daran gehindert, Israel stärker zu unterstützen.
Livni war selbstkritisch genug, nicht den Medien die Schuld zu geben am schlechten Ruf Israels nach dem jüngsten Feldzug. Aber es gelte, künftig deren Rolle stärker zu berücksichtigen, bevor Entscheidungen gefällt würden. Das sei in der arabischen Welt nicht anders, wo etwa in den Maghrebstaaten derzeit darüber nachgedacht werde, mit eigenen TV-Kanälen einen Gegenpol zum Nachrichtensender Al Jazeera zu schaffen.
Geschäft statt Politik
Die fünf Wirtschaftsführer und Politiker erweckten währen der Diskussion fast den Eindruck, sie wollten den Schwarzen Peter abschieben. Doch Gordon Brown wusste zu relativieren. Er wolle nicht seine Führungsrolle herunterspielen. Vielmehr wolle er seine Entscheidungen einerseits auf eine möglichste breite Basis stellen, anderseits so erklären, dass sie verstanden würden.
Der chinesische Internetpionier Jack Ma Yun, der mit seiner Handelsplattform www.alibaba.com das große Geschäft macht, zeichnete ein anderes Bild aus einem Land mit einer diktatorischen Regierung. In China, das heute die meisten Internetnutzer zählt, sei das World Wide Web gut fürs Geschäft. Aber er respektiere die Regeln der Zensur.