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Auch die Medien sind nicht allmächtig

Von Heiner Boberski

Politik

76. Salzburger Hochschulwochen zum Thema "Macht und Ohnmacht". | Salzburg/Wien. "Die Erotik der Macht strahlt in alle unsere gesellschaftlichen Wirklichkeiten. Sie besitzt einen verführerischen Ton", sagte der Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser bei der Eröffnung der bis zum 5. August laufenden 76. Salzburger Hochschulwochen (SHW) zum Thema "Macht und Ohnmacht".


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"Totale Macht" habe in der Menschheitsgeschichte, so Kothgasser, eine unheilvolle Rolle gespielt. Anderseits sei Macht notwendig: "Man muss an die Macht kommen, um angesichts der anstehenden globalen Probleme Lösungen zu finden." Wer jedoch "der Macht um ihrer selbst willen folgt, ist ihr bereits verfallen", betonte Kothgasser. Der Erzbischof warnte davor, unter Berufung auf Gottes Allmacht politische Ziele zu verfolgen: "Religiöser Terror tritt in ihrem Namen auf und verwechselt den eigenen Willen zur Macht mit dem Willen Gottes".

Der Religionssoziologe Thomas Luckmann, Emeritus der Universität Konstanz und Honorarprofessor der Uni Salzburg, führte zu "Macht und Ohnmacht" aus, wie Religion aus dem öffentlichen Leben verdrängt werde: "Die Lebensführung des Einzelnen in modernen Gesellschaften ist durch eine verhältnismäßig strikte Kontrolle seines Handelns in den großen öffentlichen Institutionsbereichen (Wirtschaft/Arbeitswelt/Politik) gekennzeichnet. Zugleich herrscht in modernen Gesellschaften eine tiefe Kluft zwischen den auf Funktionsmaximierung gerichteten Normen dieser Institutionen und der Sinnhaftigkeit der individuellen Lebensführung." Dies sei die Hauptursache von "Entfremdung".

In archaischen Gesellschaften waren Herrschaft, Recht und Wirtschaft eng miteinander verschweißt: Ihr Geltungsanspruch war zudem durch religiöse Vorstellungen abgesichert. Das galt auch für das europäischen Mittelalter, ehe die Organisation des ökonomischen und politischen Handelns immer weniger gesellschaftlichen oder religiösen Normen folgte. Bezeichnend war, so Luckmann, die leidenschaftlich geführte Kontroverse um die Zulässigkeit des Zinsnehmens: "Ihr Ausgang bedeutete den endgültigen Sieg wirtschaftsimmanenter Kriterien über religiös-ethische Werte."

Religiös vitale USA

Während Luckmann für Europa ab dem 19. Jahrhundert eine "Entkirchlichung" konstatiert, die zu einer diffusen Religiosität geführt habe, sieht er die USA in einer völlig anderen Lage: "An Kirchlichkeit gemessen, sehen die Vereinigten Staaten im Vergleich zu einem anämischen Europa religiös vital aus." Für Luckmann steht fest, "dass Religion in Amerika in ihren protestantischen und katholischen Formen nicht nur Familien und das tägliche Leben im Großteils der Bevölkerung durchdrungen hat, sondern auch des gesellschaftlichen und politischen Lebens insgesamt".

Bertram Stubenrauch, Professor für Dogmatik und Ökumenische Theologie an der Universität München, referierte über "Die Ohnmacht Gottes" und den Kreuzestod Christi. Sein Fazit: Durch das Wort der Vergebung ist das Opfer mächtiger als die Peiniger.

Auch die heute anscheinend alles dominierenden Medien seien nicht allmächtig, betonte die Berliner TV-Chefredakteurin Claudia Nothelle: "Die Zuschauer haben weitaus mehr Macht, als es auf den ersten Blick scheint: Die Fernbedienung in der Hand ist dabei das wichtigste Instrument, das den einen oder anderen Chefredakteur und auch Politiker nervös machen kann." Wenn die Einschaltquoten sinken, wenn Sendungen, Moderatoren oder Beiträge durch Nichtbeachtung gestraft werden, wenn kritische Anrufe, Mails oder Briefe kommen, könne das zu Konsequenzen führen: "Ohnmächtig ist der Zuschauer also ganz und gar nicht."

Der mit tausend Euro dotierte "Publikumspreis für wissenschaftliche Kommunikation" der SHW ging an die junge Bonner Theologin Kristell Köhler. Der Münsteraner Theologe Johann Baptist Metz wurde für sein Lebenswerk mit dem "Theologischen Preis der Salzburger Hochschulwochen" ausgezeichnet.