Neue Studie zeigt, wie sehr die Umwelt schon im Mutterleib unser Erbgut prägt.
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Wien. Die Gene bestimmen vieles, doch die Umwelt kann schon vor der Geburt großen Einfluss auf die Aktivitäten der Gene nehmen - mit Konsequenzen für das ganze Leben. Das ist das Resultat einer Studie, die das Fachmagazin "Genome Research" online veröffentlicht hat.
Das Forscherteam um Jeffrey Craig vom Murdoch Children‘s Hospital in Victoria (Australien) stellte fest, dass auch eineiige Zwillinge trotz ihrer ursprünglich identischen genetischen Ausstattung mit deutlich unterschiedlichen Prägungen im Erbgut geboren werden. Diese Abweichungen mussten im Mutterleib eingetreten, also auf Umwelteinflüsse zurückzuführen sein. Für die Untersuchungen verwendeten die Wissenschafter sofort nach der Geburt entnommene Proben aus der Nabelschnur, dem Mutterkuchen und dem Nabelschnurblut von eineiigen und zweieiigen Zwillingen, die wegen ihrer fast oder ganz identischen DNA ideal für solche Studien sind.
Wie sich ein Mensch entwickelt, hängt nicht nur von seinem in der DNA festgelegten Erbgut, sondern auch von Mechanismen der Epigenetik ab, vor allem von den DNA-Methylierungen. Darunter versteht man das Anlagern von Methylgruppen - kleinen Molekülen aus Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen - an bestimmte Stellen der DNA. Damit wird zwar nicht die chemische Sequenz der Gene verändert, aber deren Aktivität beeinflusst. Je nach ihrer Umgebung können Gene aktiviert oder blockiert werden.
Die Epigenetik geht davon aus, dass sich das, was der Mensch tut, zu sich nimmt und erlebt, auf sein Erbgut auswirkt. Überrascht hat die Forscher, wie sehr das bereits im Mutterleib der Fall ist. Dass sie bereits beim Vergleich der methylierten Gene von Neugeborenen erhebliche epigenetische Unterschiede - in einigen Genregionen bis zu 20 Prozent - feststellen konnten, müsse, so Jeffrey Craig, "auf Ereignisse zurückzuführen sein, die dem einem Zwilling widerfahren sind und dem anderen nicht".
Epigenetik spielt auch beim Risiko von Erkrankungen mit
Welche seiner Gene ein Mensch eher nutzt und welche er eher stilllegt, wird offenbar schon im Mutterleib entscheidend geprägt. Craig begründet, warum auch eineiige Zwillinge schon im Mutterleib in einer differenten Umwelt heranwachsen: "Sie haben eine eigene Nabelschnur und in mehr als 95 Prozent auch eine eigene Fruchtblase."
Die epigenetischen Methylierungen dürften auch bei der Entstehung von Krankheiten eine wichtige Rolle spielen. Für Diabetes, Herzkrankheiten und Krebs wurden derartige Zusammenhänge bereits nachgewiesen. Die australischen Forscher haben nun entdeckt, dass die für das Geburtsgewicht maßgeblichen Methylierungen mit Genen verbunden sind, die für das Wachstum, den Stoffwechsel und etwaige kardiovaskuläre Erkrankungen verantwortlich sind. Ein hohes Geburtsgewicht geht zum Beispiel mit einem erhöhten Risiko für eine spätere Zuckerkrankheit oder ein Herzleiden einher.
Die neuen Erkenntnisse könnten, so Richard Saffery, Co-Autor der Studie, dazu dienen, Krankheitsrisiken zu erkennen und frühzeitig dagegen vorzugehen. Saffery sieht die Chance für geeignete Interventionen, zum Beispiel durch spezielle Diäten für schwangere Frauen.