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Auch für die ÖVP gilt am Ende: Wie sagt man es den eigenen Leuten?

Von Walter Hämmerle

Analysen

Die ÖVP hat sich also entschlossen, die Schuld für ihre Niederlage nicht beim politischen Gegner und dessen unfairem Wahlkampfstil zu suchen, auch nicht bei den ach so bösen Medien - und glücklicherweise auch nicht bei den Wählern, die möglicherweise einfach noch nicht reif für die bessere Botschaft der nunmehrigen Ex-Kanzlerpartei gewesen sein könnten. Glücklicherweise deshalb, weil wenn es eine absolute Wahrheit in der ansonsten fast alles relativierenden Demokratie gibt, dann die, dass der Wähler, der Souverän, immer das letzte Wort hat.


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Künftig soll also nach den Wünschen Josef Prölls, dem Leiter der ÖVP-Perspektivengruppe, und von Parteichef Wilhelm Molterer tabulos über alles diskutiert werden, um die Volkspartei wieder an den gesellschaftspolitischen Puls der Zeit heranzuführen. Wie schnell man diesen doch aus den Augen verlieren kann! Immerhin ist es noch kaum fünf Jahre her, als sich die ÖVP noch der Themen der Zukunft sicher wähnte - nachzulesen in den Unterlagen des längst wieder eingeschlafenen Alpbach-Prozesses aus den ersten Jahren des neuen Jahrtausends. Nun geht es darum, die Distanz zwischen Parteidenken und sozialer Realität wettzumachen.

Mit Spott über das Schicksal der Schwarzen sollten sich die politischen Mitbewerber allerdings zurückhalten: So landete die SPÖ in den immerhin auch nicht gänzlich unwesentlichen Fragen der Finanzierbarkeit sozialer Wunschvorstellungen erst in den Regierungsverhandlungen mit der ÖVP wieder auf dem harten Boden der Wirklichkeit. Die roten Kompetenzteams, die Parteichef Alfred Gusenbauer im Vorwahlkampf geschickt zur inhaltlichen Unterstützung in Szene setzte, blieben von dieser Bodenhaftung jedenfalls bis zuletzt verschont. Und Ähnliches gilt wohl auch für alle anderen Parteien im Parlament.

Parteien sind in der Demokratie jedoch mehr als bloße Spiegelbilder der sozialen Realität. Im Idealfall tragen sie ein Bild vom idealen Zusammenleben in sich, an dessen Realisierung sie sich im politischen Alltag abarbeiten. Das Scheitern gehört hier zwingend dazu, immerhin trifft Traum auf Wirklichkeit - und letztere hat sich noch stets als hartnäckiger erwiesen. Aufhören zu träumen kann jedoch auch keine Lösung sein, sonst könnten wir die Politik gleich in die Hände von Technokraten legen und Wahlen als überflüssig abschaffen.

Der Weg, den die ÖVP beschreitet, ist nicht ohne Risiko: Bleibt sie bei ihrem konservativen Familienbild, droht ihr der liberale Rand ihres Wählerspektrums vor allem zu den Grünen wegzubrechen. Auf der anderen Seite wartet die FPÖ nur darauf, heimatlosen Konservativen eine neue Heimat anzubieten. Der Versuch, beide Gruppen gleichzeitig zu bedienen, beinhaltet das Risiko, keine der beiden zu behalten. Rational wäre es also, sich auf die zahlenmäßig größere zu konzentrieren - und das sind wohl die Liberalen. Aber in der Politik ist solche Vernunft schwer vermittelbar. Auch Molterer und Pröll werden sich am Ende die Frage stellen müssen: Wie sage ich es meinen Funktionären?