Eine leichte Kursänderung am EU-Gipfel wird nicht ausreichen, um die Krise zu beenden. Das zentrale Problem Ungleichheit wird weiterhin ignoriert.
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"Wir haben uns geirrt" - so könnte man zusammenfassen, was der Internationale Währungsfonds (IWF) in seinem aktuellen Wirtschaftsausblick verkündet. Berechnungen hätten ergeben, heißt es da, dass die Kürzungspolitik, auf die IWF und EU stur setzen, zu einem bis zu dreimal stärkeren Wirtschaftseinbruch führte als angenommen. Der IWF muss also eingestehen: Das "Gürtel enger schnallen" führt zum Ersticken, nicht zur Erholung.
Kürzen in der Rezession verschärft diese nur und erhöht die Schulden, statt sie zu senken - mit katastrophalen sozialen Folgen: Millionen Menschen wurden von dieser Politik bereits in Arbeitslosigkeit, Armut und Emigration getrieben. "Mehr Zeit" will IWF-Leiterin Christine Lagarde Griechenland nun geben, und auch der laufende EU-Gipfel dürften leichte Kurskorrekturen beschließen.
Doch halbes Totsparen ist immer noch lebensgefährlich. Mehr Zeit macht falsche Politik nicht richtig. Eine echte Kehrtwende ist nötig: Die Politik muss endlich das zentrale Problem Europas lösen, die immer krassere ökonomische Ungleichheit.
Dazu ein kurzer Rückblick: In drei Jahrzehnten Neoliberalismus floss beinahe alles, was erwirtschaftet wurde, in die Taschen weniger. Dank dem herrschenden Dogma des Standortwettbewerbs konnten Konzerne und Vermögende die Staaten erpressen: Steuersenkung oder Abwanderung. Als Folge rasselten Gewinn- und Vermögenssteuern überall in den Keller, während die Reallöhne der breiten Bevölkerung stagnierten oder gar sanken.
Doch das viele Geld konnten die Superreichen gar nicht mehr ausgeben - also steckten sie es in immer riskantere Finanzprodukte. Die enormen Vermögen einer kleinen Elite waren die Luft in der Spekulationsblase, deren Platzen die Welt in die Krise gestürzt hat.
Die gestiegene ökonomische Ungleichheit ist also eine zentrale Krisenursache. Doch die Politik ignorierte das nicht nur, sie hat die Lage sogar noch verschärft: Die Bankenpakete retteten vor allem die Vermögen deren reicher Eigentümer. Die sogenannten Rettungspakete an Griechenland, Portugal & Co. fließen zu einem großen Teil direkt an deren Gläubiger, also westeuropäische Banken. Um all das zu bezahlen, wird bei Sozialem, Bildung und Gesundheit gekürzt. Die Politik bürdet die Kosten der Krise der breiten Bevölkerung auf, während deren Verursacher billig davonkommen. Das ist nicht nur ungerecht, sondern auch ökonomisch unvernünftig, weil die fallende Nachfrage die Wirtschaft abwürgt - siehe das IWF-Eingeständnis.
Die Botschaft an den EU-Gipfel lautet daher: Verteilt die Krisenkosten endlich gerecht! In ganz Europa übertreffen die Privatvermögen die Staatsschulden um ein Vielfaches - und überall besitzt das reichste Zehntel einen Großteil.
Die naheliegende Lösung sind europaweit koordinierte Vermögenssteuern für die Allerreichsten. Sie können die Staatsschulden gerecht und ohne negative Folgen für die Gesamtwirtschaft senken - und nach Jahrzehnten steigender Ungleichheit endlich eine Trendwende einleiten.