Es erinnert ein wenig an einen Schildbürgerstreich, was am Mittwoch im Parlament mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP beschlossen wurde. Mit Änderungen im Telekommunikations- und im Konsumentenschutzgesetz will man Werbeanrufe ohne die Zustimmung des Konsumenten - sogenanntes Cold Calling - eindämmen. Ein hehres Ziel, das bereits im Regierungprogramm fixiert wurde.
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Ein genauer Blick auf die Ausführung bringt allerdings Erstaunliches zu Tage: Ursprünglich war geplant, dass alle telefonisch abgeschlossenen Verträge nichtig sein sollen. Stattdessen betrifft dies künftig nur Verträge über Wetten, Lotterien oder Glücksspiele. Alle anderen Verträge sind wie bisher ab dem telefonischen Abschluss gültig, allerdings beginnt die dreimonatige Einspruchsfrist erst dann zu laufen, wenn ein Brief des Anbieters beim Konsumenten eintrudelt. Letzterer kann also länger als bisher vom Vertrag zurücktreten.
Die Regierung argumentiert dies einerseits mit einer EU-Richtlinie zum Verbraucherschutz, an der derzeit gebastelt wird. Es kann allerdings Jahre dauern, bis diese in Kraft tritt - niemand hätte Österreich daran hindern können, schon jetzt das Gesetz konsumentenfreundlich zu ändern. Andererseits heißt es seitens der Koalition, dass mit der automatischen Nichtigkeit bei Wetten, Lotterien und Glücksspielen ohnehin mehr als 60 Prozent der unerbetenen Werbeanrufe abgedeckt seien. Auch die anderen 40 Prozent einzuschließen wäre überschießend gewesen, denn dies könne ja auch seriöse Unternehmen treffen.
Stellt sich die Frage: Ab welchem Zeitpunkt ist ein Unternehmen unseriös? Vielleicht dann, wenn es gegen bestehende Gesetze verstößt? Denn Cold Calling ist bereits seit Jahren gesetzlich verboten. So ist es denn - in den Worten der Grünen Birgit Schatz - "skurril", wenn in dem neuen Gesetz eingestanden wird, dass etwas Illegales zu einem legalen Vertragsabschluss führen kann.
Dazu kommt noch, dass unerbetene Werbeanrufe meist alte Menschen treffen, die von den Anbietern gezielt ausgesucht werden. Diese Menschen haben nun weiterhin keine andere Chance, als selbst aktiv von dem bereits abgeschlossenen Vertrag zurückzutreten. Wäre der Vertrag von vornherein nichtig, könnten sie ihn einfach ignorieren und zum Beispiel die Rechnung nicht einzahlen. Natürlich ist es im Konsumentenschutz meist so, dass der Verbraucher selbst mit einer Beschwerde tätig werden muss. Allerdings wird er in diesen Fällen auch nicht illegalerweise in seiner Privatsphäre gestört.