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Schön, dass der ur-österreichische Satz "Wir wer’n kan Richter brauchen" langsam seine Akzeptanz und Gültigkeit verliert. Immer deutlicher zeigt sich nämlich, dass es ohne Richter eben doch nicht geht. Ganz einfach, weil auf die Selbstreinigungskraft hierzulande eben doch kein Verlass ist. Höchste Zeit, dass all die kleinen Gefälligkeiten unter Freunderln, all das Schmieröl zwecks größerer Geschäftsanbahnung endlich laut und deutlich als das bezeichnet werden, was sie nach den Maßstäben eines zivilisierten Rechtsstaats sind: Amtsmissbrauch und Korruption.
Das blau-orange Kärnten mag in dieser Hinsicht ein durchaus besonderes Biotop darstellen. Hier haben sich dubiose Cliquen zusammengefunden, die - im Hochgefühl darüber, dem rot-schwarzen Proporz nach Jahrzehnten ein ganzes Bundesland entrissen zu haben - jegliches Gefühl für die Grenzen des politisch Zumutbaren und Anständigen einfach über Bord geworfen haben.
Aber Kärnten ist längst nicht das einzige Bundesland, in dem die jeweils Mächtigen ganz bewusst den Unterschied verwischen zwischen der eigenen Partei und dem Land, zwischen Partikularinteressen und dem Wohle der Allgemeinheit, zwischen Bürgern und Bittstellern. Davon kann längst nicht nur die Opposition in allen neun Bundesländern ein Lied singen. Aber nicht überall werden Missstände von einer kritischen Öffentlichkeit so hartnäckig und ausdauernd verfolgt wie im blau regierten Kärnten.
Dass die Dehnbarkeit ethischer Verhaltensprinzipien kein politisches Problem im engeren Sinn, sondern ein gesamtgesellschaftliches ist, deuten allein schon die zahllosen geflügelten Redewendungen an, die den weiten Raum des potenziell Möglichen zu bemessen versuchen. A bisserl was geht eben immer, also wer ma da doch wohl was machen können!
Die Gründe für diese Schlawiner-Mentalität mögen historisch erklärbar sein - vom am Jenseits orientierten Katholizismus bis hin zum bevormundenden Untertanenstaat -, die Mittel zur Veränderung liegen in der Gegenwart. Dazu gehört in erster Linie eine Justiz, die ohne Ansehen der Person frei und konsequent ermittelt und Recht spricht. Und eine politische Kultur, die Machtkontrolle durch Machtwechsel fördert. Niemand achtet bestehende Gesetze penibler als ein Politiker, der ständig mit seiner Abwahl rechnen muss.