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Auch Krisen muss man üben

Von Walter Hämmerle

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Schön, wenn von Anfang an alles glatt läuft. Aber Achtung: Ein perfekter Start wiegt in falscher Sicherheit. | Die Europameisterschaft geht in ihre finale Woche - und wieder einmal läuft alles für die Deutschen: Portugal verweigert im erstbesten Moment, wo es darauf ankommt, den Glauben an sich selbst. Die Kroaten, die die Löw-Truppe immerhin in der Vorrunde schlagen konnten, verkleiden sich beim Elfmeterschießen als Engländer. Jetzt kann nur noch ein Wunder den tapferen, aber arg dezimierten Türken im ersten Halbfinale am Mittwoch im Kampf gegen den ewigen Favoriten helfen. Doch noch gibt es Hoffnung: Diese Euro ist Favoriten bisher nicht wohlgesonnen.


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Doch statt auf derlei Fußball-Voodoo zu bauen, lohnt sich vielleicht ein Blick auf das, was die Mannschaften, die jetzt im Halbfinale stehen, gemeinsam haben.

Portugiesen und Holländer spielten in der Vorrunde zum Niederknien schön. Alles ging ihnen leicht von der Hand, Ball und Gegner hielten sich an ihre jeweiligen Aufgaben. Zum Lohn gab es zwei Siege in den beiden ersten Spielen des Turniers, womit der sichere Aufstieg bereits fixiert war.

Weil solche Leistungen nach Belohnung schreien, gönnten die Trainer ihren Stammspielern und Leistungsträgern im dritten, bedeutungslosen Gruppenspiel eine wohlverdiente Pause. Auf dass sich auch die B-Elf einmal ins Rampenlicht spielen kann.

Deutschland dagegen stand bereits im dritten Spiel - ausgerechnet gegen Österreich - unter Druck. Und der wirkt bekanntlich gemeinhin leistungsfördernd (außer bei den Österreichern halt). Auch Russland (1:4 zum Auftakt gegen Spanien) und die Türkei (Aufholjagd gegen Tschechien nach 0:2-Rückstand in der Schlussviertelstunde) standen am Ende der Vorrunde bereits mit dem Rücken zur Wand.

Für Portugiesen und Niederländer war jedoch das erste Spiel, in dem es nicht gleich nach Wunsch lief, zugleich das letzte. Beiden Teams tat die Pause zuvor alles andere als gut: Der Rhythmus war gebrochen, der Spielfluss unterbunden - und Trainer wie Spieler fanden darauf keine Antwort. Zum Üben vorher hatten sie beide - auch mangels Krisensituation im bisherigen Turnierverlauf - keine Chance.

Noch ein Wort zu den Russen. Ihr Stil erinnert frappant an das typische Spiel der Sbornaja im Eishockey: Technisch perfekt und mannschaftsorientiert mit herausragendem Offensivgeist. Nur in einem Punkt unterscheiden sie sich: Russlands Eishockeystars pflegen ihre Chancen eiskalt zu verwerten. Ihre jüngerem Brüder am grünen Rasen demütigen ihre Gegner, indem sie hochkarätige Chancen zuhauf vernebeln. Die einen wurden gerade Weltmeister, die anderen stehen erst im Halbfinale. Steigerung ist also noch möglich.