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Auch Marketing kann Kunst sein

Von Bernhard Baumgartner

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So ein Legostein ist nicht unbedingt ein High-Tech-Produkt: Kantig, bunt und beliebig kombinierbar - und doch ist es erst die Kreativität, die aus einem Kübel Plastik etwas Neues entstehen lässt. Doch die Steine sind darüber hinaus auch zu mehr gut: Man kann mit ihnen auch Politik machen, wie der chinesische Medienkünstler und Dissident Ai Weiwei beweist. Der 57-Jährige, der nach Dauerclinch mit der chinesischen Regierung nun in Berlin lebt, wollte für die Ausstellung "Andy Warhol/Ai Weiwei" in Melbourne die Porträts von australischen Bürgerrechtsaktivisten aus Lego nachbauen. Doch, so sagt der Künstler, Lego habe die Lieferung mit Hinweis auf den politischen Charakter des Projekts abgelehnt: "Ich war ziemlich geplättet, denn es handelte sich doch um einen ganz respektablen Auftrag", sagte er. Doch wer schon der chinesischen Führung die Stirn bot, lässt sich von ein paar Konzern-Bürokraten im dänischen Billund nichts vorschreiben, und so rief er dazu auf, ihm Steine zu spenden. Prompt kann sich der Künstler nun vor lauter Legosteinen kaum noch retten, so groß war die Resonanz. Damit lädt Ai Weiwei sein - von der Idee her sagen wir einmal nur mittelgutes Projekt - mit einer ganz neuen Ebene auf. Wer der Meinungsfreiheit durch schnöden sowie mutmaßlich vorauseilenden Gehorsam der chinesischen Führung gegenüber motivierten Steinchen-Entzug die Grundlage nehmen will, muss nun die Konsequenzen tragen: Wir brauchen doch Lego nicht, um mit Lego Kunst zu machen! Was für ein Geniestreich. Fast wirkt es so, als hätte hier ein wahres Marketing-Genie Regie geführt.